Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

WAGNER, Georg: Der Wiener Hof, Ludwig XIV. und die Anfänge der Magnatenverschwörung 1664/65

108 Georg Wagner Zusammenstoß von höfischem Absolutismus und mittelalterlicher Ständefreiheit in Ungarn. Die Begründungen der kaiserlichen Minister sind im allgemeinen doch so zutreffend und gewichtig, daß der Friedensschluß als Notwendigkeit erscheint, auch wenn damit eine Verletzung der ungarischen Verfassung verbunden war. Im Zeitalter der absoluten Monarchie, in den Tagen der Kabinettspolitik, erschien die Anhörung der Stände bei Entscheidungen über Krieg, Frieden und Bündnisse als etwas Überholtes. Oswald Redlich hat wohl recht, wenn er in diesem Zusammenhänge sagt: „Äußere Politik wird wohl immer nur von den Wenigen, die an der Spitze stehen, bestimmt werden; sie hat immer einen absolutistischen Charakter. Diese Wenigen werden ja freilich, je nach der inneren Struktur des Staates, mehr oder minder sich in Übereinstimmung setzen mit dem Willen oder wenigstens der Stimmung der Völker, oder sie machen die Stimmung. Die der abso­luten Gewalt zustrebenden Fürsten jener Zeit hielten sich nicht mehr ge­bunden und erachteten es als überflüssig, etwa die Stände ihres Landes bei der Entscheidung über Krieg, Frieden und Bündnisse zu hören. Aller­dings aber bedurften sie der ständischen Gelder. Konnte dies ein oft unbequemes Hemmnis werden, so hat es doch nie von vornherein den Aus­schlag für die fürstlichen Entschlüsse gegeben“. 41) Im vorliegenden Falle aber hätte man z. B. die ungarischen Stände anläßlich der Geheimverhandlungen nicht befragen können, da erstens ihre Ablehnung feststand und zweitens der Friede unter den gegenwärtigen Umständen unbedingt geschlossen werden mußte. Angesichts dieser notgedrungenen Verletzung der ungarischen Verfas­sung durch den Kaiser stützte sich der Bund (Verschwörung) der katholi­schen Magnaten vom 5. April 1666 im Bade Stuben bei Trentschin, unter Führung des Peter Zrínyi42) und des Palatins Franz Wesselényi, bei der geplanten Rebellion auf das in der Goldenen Bulle Andreas II. (von 1222) verbriefte Widerstandsrecht (Art. 31). Das aber hieß denn doch, ein längst verjährtes Formalrecht einer aus der Lage erzwungenen und gerechtfertigten Politik des apostolischen Königs gegenüber wieder beleben zu wollen. All das konnte angesichts der tatsächlichen Kräfte­verhältnisse : der Uneinigkeit zwischen den vorwiegend katholischen Magna­ten und der protestantischen Adelspartei der Lutheraner und Calviner — und gestützt auf eine solch disparate Kongregation kleiner rivalisierender Mächte, deren individuelle ehrgeizige Strebungen zu keiner gemeinsamen una guerra, che, non potendosi durare lungamente, indicava piü tosto svantaggi, pregiuditii, e gravi danni. — Con queste, e molte altre ragioni parve, che si moderassero gl’animi inaspriti delli Ungari, li quali in fine al tutto si rimisero, perche finalmente, che cosa volevano, ö potevano fare. 41) O. Redlich, Weltmacht des Barock, Wien 1961, 196. 42) Seit 24. Jänner 1665 Banus von Kroatien in Nachfolge seines Bruders.

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