Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)
KÜHNEL, Harry: Pietro Andrea Matthioli. Leibarzt und Botaniker des 16. Jahrhunderts
Pietro Andrea Matthioli 69 dieselbe Wirksamkeit wie in wärmeren Ländern habe. Deshalb befahl Matthioli nach einigen Stunden, dem Delinquenten ein Pulver aus den Blütenblättern des Napelluskrautes einnehmen zu lassen und „tunc cepit habere symptomata nempe sensit aliquam pressuram in cor, cecidit tamque epilepticus et surgens nihil sanit de casu“. In Wein aufgelöst gab Matthioli dem Todeskandidaten das Pulver des Erzherzogs, doch war dasselbe gegen Napellus nicht wirksam; er „starb allso sanfft on alle andere Zufälle unnd bewegnuß gleicherweise als entschlieffe er. Das antlitz wurde im bley- schwartz“ wie in der von Georg Handsch übersetzten Ausgabe des Dioskorides von 1563 zu lesen steht27). Bei dem Ruf und Ansehen, die Matthioli genoß, lag es nahe, daß er auch von Adeligen in Krankheitsfällen konsultiert wurde. Der Burggraf Heinrich aus dem Hause Plauen litt in der rechten Hand an Gicht, für deren Heilung der Leibarzt ihm 1561 ein Rezept verschrieb28). Erzherzog Ferdinands Gesundheitszustand war schon von Jugend auf äußerst labil. Seit seinem 23. Lebensjahre waren an ihm Krankheitssymptome festzustellen, die von einigen Ärzten als „Melancholie“, von anderen als „Malefica“ bezeichnet wurden29). Im Jahre 1563 sollte Ferdinand am Tiroler Landtag in Innsbruck teilnehmen, doch hielt ihn eine neuerliche langwierige Krankheit davon ab. Matthioli richtete in diesem Zusammenhang sieben eigenhändig geschriebene Briefe an Kaiser Ferdinand I., worin er diesem regelmäßig über den Zustand des Patienten Mitteilung machte. Erzherzog Ferdinand befand sich damals in der von ihm erworbenen Herrschaft Komotau. Matthioli berichtete von dort am 6. Februar, daß er beim Erzherzog keine Anzeichen von Fieber konstatiert habe, sondern Schlaffheit (putrida); eine ausführliche Beschreibung der Symptome habe er an den kaiserlichen Leibarzt Dr. Julius Alexandrinus übersandt. Zwei Tage später, am 8. Februar, teilte Matthioli dem Kaiser mit, daß dem Erzherzog Mannagift gegeben wurde, wodurch die „putredinosi tumores“ vergangen sind. Wenn der Fürst wieder richtig schlafen und genügend Nahrung zu sich nehmen wird, könne allmählich mit seiner Genesung gerechnet werden, doch dürfe er nicht wieder frühzeitig das Bett verlassen und sich auf eine Reise begeben. Der Kaiser möge seinen Sohn in diesem Sinne ermahnen. Am 10. Februar konnte Matthioli dem Kaiser von einer weitgehenden Besserung im Zustand des Patienten benachrichtigen ; er sei bereits aufgestanden und im Zimmer umhergegangen. Vorsichtshalber zog man aber auch noch den gebildeten Dr. Johannes Naevius, den Leibarzt des Herzogs Karl August von Sachsen zu Rate. Der nächste Brief stammt vom 17. Februar: Matthioli erklärt, daß er hoffe, 27) Cod. Vind. 11.183, fol. 146r. Der deutsche Text über dieses Experiment nach der Aufzeichnung Matthiolis bei K. Ganzinger, Petrus Andreas Matthiolus, S. 50 ff. 28) Cod. Vind. 11.183, fol. 1897. 29) Hirn, Erzherzog Ferdinand von Tirol, Bd. 2, S. 515.