Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)
KÜHNEL, Harry: Pietro Andrea Matthioli. Leibarzt und Botaniker des 16. Jahrhunderts
68 Harry Kühnei Eintragung im Hoffinanzregister vom Jahre 1558 beweist21). Ein Jahr zuvor hatte er auch eine zweite Ehe mit Girolama di Varma, die einer adeligen Familie aus der Friaul entstammte, geschlossen. Seine erste Gattin Elisabeth, mit der er sich 1528 vermählte, hatte ihm einen Sohn Paul geboren, der aber bald starb22 23). Im Dezember 1554 wies Erzherzog Ferdinand das Rentmeisteramt von Böhmen an, Matthioli, seinen obersten Leibarzt, jährlich 400 Taler auszuzahlen 2S). II. Matthiolis Tätigkeit als Leibarzt des Erzherzogs Ferdinand. Von den ersten eineinhalb Jahren der medizinischen Tätigkeit Matthiolis in Prag haben wir keine Nachrichten überliefert. Von August bis Oktober 1556 begleitete er Erzherzog Ferdinand bei dessen Ungarnfeldzug nach Kanisza, wobei Matthioli und die anderen Ärzte auch achtzig Verwundete zu betreuen hatten24). Vor und nach dem Feldzug hielt sich Matthioli mit seinem Landesherrn jeweils kurz in Wien auf. Im Juli 1558 wurde ihm von König Ferdinand I. für die Dienste, die er dem König und seinem Sohn Erzherzog Ferdinand von Tirol geleistet hatte und in Zukunft noch leisten würde, aus dem Rentmeisteramt in Böhmen eine jährliche Provision von 100 fl. zugesprochen25). Nähere Kenntnis von Matthiolis Wirken seit dem Jahre 1561 haben wir seinem Mitarbeiter am Dioskorides und Leibarzt am Hofe Erzherzog Ferdinands, Dr. Georg Handsch von Limus zu danken, der tagebuchartige Aufzeichnungen hinterließ. Dessen Lebenslauf wird im nächsten Kapitel zu behandeln sein 26). Handsch berichtet vom 11. Dezember 1561 von einem interessanten Experiment Matthiolis an einem 29jährigen Mann, der zum Tode verurteilt war und dem der oberste Leibarzt in Anwesenheit anderer Ärzte gestoßenes Pulver aus der Wurzel des giftigen Napelluskrautes mit Rosenzucker vermischt reichte. Der Delinquent sollte sodann mit einem berühmten Pulver des Erzherzogs behandelt und falls er überleben sollte, freigelassen werden. Eineinhalb Stunden saß der Verurteilte in der warmen Stube und erklärte über Befragen der Ärzte, nur in den Beinen einen leichten Schmerz zu verspüren. Das Konsilium kam zu der Auffassung, daß das Kraut nicht 21) HKA Hoffinanzregister R, Bd. 234, fol. 8r. 22) De Toni, Pierandrea Mattioli, S. 382. O. Rudel, Beiträge zur Geschichte der Medizin in Tirol, S. 69. 23) HKA Hoffinanzregister E, Bd. 213, fol. 220r. 24) Joseph Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Bd. 1 (Innsbruck 1885), S. 32. Matthiolis Verdienste beim Ungarnfeldzug werden auch in der Nobili- tierungsurkunde von 1562 Juli 13, Prag, hervorgehoben (HHSTa Reichsregister Ferdinand I., Bd. 12, fol. 307 ff.). 25) HKA Gedenkbuch Böhmen, Bd. 309, fol. 60''. 26) L. Senfeider, Georg Handsch von Limus. Lebensbild eines Arztes aus dem XVI. Jahrhundert (Wiener Klinische Rundschau. 15. Jg., Wien 1901), S. 495 ff., 514 ff., 533 ff.