Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)
KÜHNEL, Harry: Pietro Andrea Matthioli. Leibarzt und Botaniker des 16. Jahrhunderts
64 Harry Kühnei behandelt, hingegen fand bisher seine Tätigkeit als Leibarzt der Habsburger, die freilich auf seinen botanischen Kenntnissen beruhte, keine entsprechende Würdigung. I. Matthiolis Werdegang bis zu seiner Berufung durch Erzherzog Ferdinand von Tirol. Matthioli wurde am 12. März 1500 in Sparaguaia zu Siena geboren; seine Mutter Lucrezia war eine geborene Buoninsegni. Sein Vater Francesco übte in Venedig die ärztliche Praxis aus; an seiner Seite verbrachte Pietro Andrea die Jugend und absolvierte das Latein-, Griechisch- und Philosophiestudium. Über Wunsch seines Vaters sollte er an der damals angesehenen Universität zu Padua Jus studieren, doch widmete sich Matthioli dem Studium der Medizin und promovierte im Jahre 1523. Zur selben Zeit starb der Vater, so daß Pietro von seiner Mutter gebeten wurde, in seiner Geburtsstadt die ärztliche Tätigkeit auszuüben. Im November 1524 weilte er, vermutlich zu Studienzwecken, in Rom und hatte Gelegenheit, einem interessanten Versuch seines späteren Lehrers in Perugia, des Chirurgen Gregorio Caravita aus Bologna, beizuwohnen. Der Chirurg hatte seiner Meinung nach ein zuverlässiges Gegenmittel, eine Ölmischung, für alle Gifte und den Biß giftiger Tiere erfunden. Papst Clemens VII. hatte seinen Leibärzten gestattet, dieses Öl an zwei zum Tode verurteilten Räubern auszuprobieren. Einer der Delinquenten erhielt in Zuckerbrot verbacken eine große Menge Sturmhutknollen verabreicht, wurde jedoch sofort mit der Ölmischung eingerieben und genas trotz Vergiftungserscheinungen am dritten Tag. Der zweite Verurteilte bekam eine geringere Dosis desselben Giftes, die Öleinreibung unterblieb bei ihm und der Delinquent starb schon nach wenigen Stunden unter gräßlichen Schmerzen* 4). Die Begegnung scheint Matthioli veranlaßt zu haben, in Perugia bei Caravita seine medizinischen Kenntnisse, vor allem in der Chirurgie, zu vervollkommnen. Bald danach finden wir Matthioli wieder S. 239 ff. Wilhelm Ludwig Schreiber, Die Kräuterbücher des 15. und 16. Jahrhunderts (München 1924), S. XLIV. Otto Rudel, Beiträge zur Geschichte der Medizin in Tirol (Bozen 1925), S. 66 ff. K. W. dalia Torre, Botanische Forschungen in Tirol bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Deutsche Alpenzeitung, Bd. VII, München 1907), S. 136 f. Giulio Conci, Nel IV centenario della venuta di Pier Andrea Mattioli nel Trentino (Studi Trentini di scienze naturale, Jg. IX, 1928), S. 34 ff. und die dort S. 56 ff. zitierte Literatur. Hermann Fischer, Pietro Andrea Matthioli und die Anfänge der Alpenfloristik (Jahrbuch des Vereines zum Schutz der Alpenpflanzen, Bd. 4, Freising-München 1932), S. 76 ff. A. Wernich - E. Gurlt - A. Hirsch, Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, Bd. 4 (Berlin-Wien 1932), S. 119. Kurt Ganzinger, Petrus Andreas Matthiolus (Heilmittelwerke-Jahrbuch 1958), S. 44 f. 4) Leopold Senf elder, Beiträge zu einer Biographie des Petrus Andreas Matthiolus (Wiener Medizinische Wochenschrift, 81. Jg., 1931), S. 1479. Giovanni Battista de Toni, Pierandrea Mattioli (Gli scienziati italiani. Repertorio bio- bibliografico, hrg. von Aldo Mieli, Bd. 1, Teil 2, Roma 1923), S. 382.