Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 15. (1962)
AUER, Erwin M.: Die Präbende des Ordens vom Goldenen Vlies
Die Präbende des Ordens vom Goldenen Vließ 23 weil die empfohlenen Bewerber nicht den im Stiftbrief festgelegten Bedingungen entsprachen. Bezeichnend endlich für den Einfluß, den der Präsident der obersten Polizei- und Zensur-Hofstelle Graf Sedlnitzky auch auf die Verleihung der Toison-Ordens-Präbende ausübte, ist die Tatsache, daß alle Ordenskanzler sich bemüßigt sahen, in ihren Verleihungsvorträgen an den Kaiser zu betonen, sie hätten ihre Vorschläge im Sinne der Gutachten des Grafen Sedlnitzky erstattet188). Diese Tatsache spricht übrigens zugleich für die Objektivität, mit der der Präsident die Gutachten über die Präbenden-Competenten ausarbeiten ließ. 4. Die Verleihungen der Jahre 1850 bis 1886 Als Kaiser Ferdinand I. am 2. Dezember 1848 in Olmütz die österreichische Kaiserkrone niederlegte und dessen Bruder Erzherzog Franz Karl auf das ihm zustehende Recht der Thronfolge zugunsten seines ältesten Sohnes verzichtete, der als Franz Joseph I. zur gleichen Stunde die Staatsgeschäfte übernahm, war mit diesem Staatsakt auch der Übergang der Würde eines Chefs und Souverains des Ordens vom Goldenen Vließ praktisch vom Onkel189) auf den Neffen erfolgt. Wohl trägt die erste Entscheidung, die Kaiser Franz Joseph als Chef des Toison-Ordens erfließen ließ, schon das Datum 3. April 1849 19°), aber erst im Herbst des gleichen Jahres kam der Ordenskanzler Freiherr von Pilgram in einem Vortrag, der die Einreihung Kaiser Ferdinands unter die Vließritter im Ordensverzeichnis des Hofkalenders behandelte, auf den Übergang der Souverains- Würde zurück und stellte zur neuen Rechtslage fest: Es ist unbezweifelt, daß Euer Majestät als Chef und Souverain des Ordens anzuführen sind; da diese Würde mit der Krone des Oesterreichischen Kaiserreiches verbunden ist191). Für den Ordenskanzler, der 1848 seine Staatsräthliche Dienstleistung durch den Übertritt in den Ruhestand beschloß 192), war es nach dem Wechsel in der Souverains-Würde anfangs als Pensionisten sicherlich nicht leicht, einen erfolgversprechenden Weg zum neuen Ordenschef zu finden, obwohl die Beamten der Kabinettskanzlei, die ja in corpore Ordensfunk188) Z. B.: In diesen Rücksichten stehe ich nicht an, den von Grafen Sedl- nitzki vor allem Vor geschlagenen .. . aus den angeführten Gründen auch meinerseits den Vorzug einzuräumen (ZI. 12/TO/1835, fol. 65r). Vgl. auch ZI. 46/TO/ 1841, fol. 41. 1891 Das letzte Handschreiben, das Kaiser Ferdinand in Sachen des Ordens vom Goldenen Vließ ergehen ließ, betraf die Verleihung des Toisons an den Grafen Vitaliano Borromeo-Arese und war mit 16. Juni 1847 datiert (ZI. 148/ TO/1847, fol. 46r). im) Verleihung des Toisons an Feldmarschall Josef Graf Radetzky (ZI. 156%/ TO/1849, fol. 6r); dieses Ah. Handschreiben wurde vom Ministerpräsidenten Fürst Felix zu Schwarzenberg gegengezeichnet. 191) ZI. 160/TO/1849, fol. 120r, hzw. 121r (Vortrag vom 31. Oktober 1849). 192) KabA, Ministerratsakten, Vortrag 3338/MRZ/1850, fol. 332r.