Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise

536 Edith Wohlgemuth-Kotasek Boden“ zu befinden13), woraus sich ja alle die Verpflichtungen, Arbeiten und Aufgaben ergeben würden, die ein Leben erst lebenswert zu machen imstande sind. Und wieder munterte er sie auf: „da, wo man seyn muß, ist es am besten zufrieden zu seyn, und ich hoffe, daß Sie alle die finsteren Gedanken verbannen werden, gegen welche ich, (der zwar ein Haupt- Melancolicus bin) so fleissig predigte“ 14). Wie immer Marie Louise damit fertig wurde, von ihrem Gatten, dem sie in seiner guten Zeit leidenschaftliche Verliebtheit entgegengebracht hatte, getrennt zu sein, sie hatte bei der Übernahme der Parma’schen Re­gierungsgeschäfte immerhin ihren Sohn in Wien zurücklassen müssen. So ist es wohl anzunehmen, daß um ihn ein Teil ihrer oft erwähnten trüben Gedanken kreiste, wie es auch Johann, der den Knaben herzlich lieb­gewann, nicht versäumte, wiederholt über ihn und seine Entwicklung zu berichten 15). Marie Louise vermochte es nicht, allein zu bleiben. Daß Johann vom April 1817 an 16) den ihr beigegebenen Ehrenkavalier, Berater, Liebhaber und Vater ihrer weiteren Kinder, den sie erst nach Napoleons Tod zu ihrem rechtmäßigen Gatten machen konnte, regelmäßig grüßen ließ und häufig mit einem freundlichen, achtungsvollen Wort apostrophierte, ist zweifellos eher als ebenso harm- wie ahnungslose Unbekümmertheit zu werten, denn als eine besondere Vertrautheit mit ihren intimsten Angelegenheiten. Johann ehrte einfach in Adam Adalbert Graf von Neipperg den „braven und verständigen Soldaten, der ein redlicher Mann und zu Geschäften gut zu gebrauchen ist“ 17). Er bedauerte es aufrichtig, daß derselbe Neipperg immer und immer wieder aufs Krankenlager geworfen wurde, bedauerte es in späteren Jahren umso mehr, als er dann die tiefsten Beweggründe des Kummers kannte, den Marie Louise darüber empfand. Nach Neippergs Tod18) konnte sich Johann lange nicht aufraffen, an die Nichte zu schrei­ben: ,,... mehrere Mahl hatte ich bereits die Feder ergriffen und wollte anfangen und steets legte ich dieselbe weg, um mit mehr Muße einmal ordentlich es zu thun — auch gestehe ich Ihnen, ich wollte die erste Zeit vorübergehen lassen, da ich aus eigener Erfahrung weiß, daß das immer neue Aufregen von Schmerz unmöglich angenehm ist, und ich dafür halte, daß wahre Theilnahme sich nicht durch Äußerungen des ersten Augen­13) Nr. 19 vom 20. 9. 1816. 14) Nr. 20 vom 11. 11. 1816. 15) Die betreffenden Briefstellen sind unter anderen in der Hauptsache in dem erwähnten Katalog der Firma Karl & Faber abgedruckt (S. 74 und 76), welche die da näher gekennzeichnete Sammlung von Briefen an Marie Louise, ehe sie im Haus-, Hof- und Staatsarchiv geborgen wurde, zur Versteigerung zu bringen beabsichtigt hatte. Die Auswertung jener abgedruckten Briefstellen findet sich bei Andre Castelot: Der Herzog von Reichstadt, Wien 1960. 13) Nr. 21 vom 4. 4. 1817. 17) Nr. 25 vom 1. 2. 1819. 18) 22. 2. 1829.

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