Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise

Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise 537 blickes, sondern durch fortdauernde Beweise am besten bewähret — denn der augenblickliche Trost giebt nicht so sehr eine wohlthätige Linderung als jener, der anhaltend ist, besonders bey tief fühlenden Gemüther (!), wo die Heilung oder Vernarbung der Wunde langer Zeit bedarf. Endlich, was läßt sich viel in einem Briefe sagen, ich bin kein Freund davon und mündlich läßt sich mehr und besser ein Vortrag machen . .. nun aber sehe ich, daß Sie nicht kommen, daß folglich ich mit Ihnen nicht sprechen kann, also schreibe ich, bey allem dem mir doch noch vorbehaltend in Folge der Zeit das nachzutragen, was sich nicht schreiben läßt“ l#). Marie Louisens und Neippergs Sohn, Wilhelm Albrecht Graf von Montenuovo 19 20), wird in Johanns Briefen nur zwei Mal erwähnt. Der junge Mann hatte den Onkel seiner Mutter in Vordernberg besucht. Johann be­hielt ihn „bloß über Mittag“ bei sich, „führte ihn hier herum, da er sehr wißbegierig ist und man an ihm merket, daß er Kenntnisse besitzet, so ist es leicht, ihm etwas zu zeigen“ 21). Solche Besuche dürften aber nichts Einmaliges gewesen sein, auch in Wien nicht, wo Montenuovo später Dienst machte 22 23). Während Johanns Anteilnahme allmählich so in die privateste Sphäre Marie Louisens vordrang, soweit es ihre mit Neipperg gegründete Familie betraf, findet sich in seinen Briefen hinsichtlich ihrer dritten Bindung an den Grafen Karl von Bombelles2S) kein Zeichen eines nennenswerten Interesses. Da Johann kaum als Berater gegenüber seiner Nichte auftrat, beschäf­tigen sich seine Briefe vielfach mit Berichten über die Familie. Der Ge­sundheitszustand der weitläufigen Verwandtschaft wird immer wieder erörtert und wohl auch dieses oder jenes Histörchen über den einen oder anderen erzählt. Aber es ist niemals eigentlich Tratsch. Johanns Feingefühl, sein Takt und das stets wache Bestreben, menschlich verständnisvoll und gerecht zu sein, verboten ihm ebenso wie eine angeborene Gutgläubigkeit jegliches vorschnelle Urteil, und was sich in diesem Zusammenhang findet, sind höchstens behutsame Aussagen und mafichmal auch ein klein wenig gemütvolle Neugier. „Wie hat Ihnen meine neue Schwägerin gefallen?“ fragte er Marie Louise, als der Bruder Karl die Prinzessin Henriette von Nassau-Weilburg als Gattin heimführte: „das Frauenauge siehet schärfer als das Männer- aug“ 24). Später hatte er schon ein eigenes Bild von ihr: „Carls Frau hat mir sehr gut gefallen, ich glaube, mein Bruder hat eine glückliche Wahl ge­19) Nr. 37 vom 18. 7. 1829. 20) geb. 8. 8. 1819, gest. 6. 4. 1895. 21) Nr. 56 vom 22. 11. 1839. 22) Graz, Landesarchiv a. a. 0., Wien, 24. 4. 1846. Montenuovo war damals Major im Dragoner Regiment Nr. 6. 23) geb. 6. 11. 1785, vermählt mit Marie Louise seit 17. 2. 1834, gest. 30. 5. 1856. 24) Nr. 11 vom 18. 10. 1815.

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