Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
WOINOVICH, Maria: Philipp Freiherr von Krauß, Finanzminister im Jahr 1848
Philipp Freiherr von Krauß 561 und in die Zusammenhänge der politischen mit den finanziellen Problemen, die seine Handlungen bestimmt hatten. Gegen die Beschuldigung, der „öffentlichen Meinung Opfer zu bringen“, verwahrte sich Krauß mit sehr bestimmten Worten: „Die Vorschläge, die ich stellte, sind das Ergebnis der Erfahrungen von 37 Jahren, die ich im öffentlichen Dienste zurückgelegt habe, und insbesondere des durch eine zwanzigjährige Mitwirkung bei den schwierigsten Aufgaben der Besteuerung gereiften Nachdenkens“ 69). Die Hauptanträge, bemerkte der Minister, betreffend die Einkommensteuer, die Umgestaltung der Häusersteuer, dann des Tax- und Stempel-Gesetzes, endlich die Mäßigung des Salz-Monopols, hätte er unter allen Umständen gestellt, nun sei ihm allerdings die günstige Stimmung der öffentlichen Meinung entgegengekommen, und es wäre unverantwortlich gewesen, sie ungenützt zu lassen. „Ich kenne keine Regierungsform, in der man auf die Länge im Widerspruche mit der öffentlichen Meinung regieren könnte. Gänzlich unbegreiflich ist es mir aber, wie es in der constituzionellen Staatsform möglich seyn soll, die Verwaltung auf eine andere, als die mit der öffentlichen Meinung übereinstimmende Art zu führen.“ Philipp Freiherr von Krauß blieb Finanzminister bis zum 26. Dezember 1851 70). Mit Unlust betrachtete er den zunehmenden von Kübeck inspirierten Neo-Absolutismus. Kübeck hingegen, obwohl immer um Sachlichkeit bemüht, beurteilte Krauß späterhin nicht mehr so milde wie in der Denkschrift vom 29. Dezember 1848, wobei etwa persönliche Empfindlichkeit gegen den politisch anders Denkenden mitgespielt haben dürfte. Abgesehen von den Kritiken Kübecks, schwanken die Urteile über Krauß von der höchsten Anerkennung seiner Persönlichkeit und seiner Leistungen bei Hye und auch bei Helfert bis zu den absprechenden Bemerkungen durch Adolf Beer 7i). Die Mitte hält Heinrich Friedjung 72). Das große Werk der Steuerreform des Finanzministers bedarf noch einer eingehenden Bearbeitung. Ein glänzendes Urteil über die Leistungen von Krauß in der Finanzverwaltung, bedingt durch die Aufhebung des Untertanenverbandes und damit der Patrimonialverwaltung, gibt der unbestechliche Kritiker Josef Redlich 73) ab. In der heutigen Finanzwissenschaft sind Ansätze gegeben, die ein objektives und abschließendes Urteil über den Finanzminister des Jahres 1848 durch einen berufenen Fachmann ermöglichen. So stellt beispielsweise Alois «8) Erörterung zu den „Bemerkungen“ durch Philipp Freiherrn von Krauß an den Ministerpräsidenten Fürsten Felix von Schwarzenberg, a. a. O. 70) F. A. 19276/F. M./1851. 71) A. a. 0., S. 202 ff. 72) Heinrich Friedjung, Österreich von 1848 bis 1860, Bd. 1, Stuttgart und Berlin, 1908, S. 236 ff. 73) Josef Redlich, Bericht über die Entwicklung und den gegenwärtigen Stand der österreichischen Finanzverwaltung, Wien, 1913, S. 6 ff. Mitteilungen, Band 14 36