Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise

538 Edith Wohlgemuth-Kotasek troffen“ 25). Vierzehn Jahre später hielt er ihr einen wehmütigen Nachruf: Henriettens Tod 26) „ergriff mich so, daß ich längere Zeit nichts machte und noch will mir dieses nicht aus dem Kopfe gehen — obgleich ich kein großer Courmacher bin, so liebte und schätzte ich besonders diese Schwä- gerinn, weil ich ihren gediegenen Caracter kannte. Es ist ein großer Ver­lust aus gar vielen Ursachen — vor allem für die Kinder, denn eine Mutter wirket am meisten auf die Erziehung — dann für Karl. Mit 60 Jahren findet man keine anpassende Gefährtin mehr, und er muß eine gewaltige Leere in seinem Leben finden, da er kein Geschäft hat27) — sich niemals um das Seinige angenommen und seine Frau die einzige ressource war, die er hatte. — Weiters für uns alle, da sie einen Vereinigungspunkt abgab und so gut alles zu vereinigen, zu nähern, alle Trennungen, Spannungen zu hindern wußte — wer soll dieses nun thun?“ 28). Nicht weniger schmerzlich als das Hinscheiden dieser hervorragenden Frau war der im Grunde ähnlich endgültige Abschied Leopoldinens, die als Kaiserin nach Brasilien ging29), empfunden worden. Beurteilte man in Wien wie sie selbst ihr Los zunächst sehr optimistisch, machte sich Johann doch gleich anfangs sehr ernste Gedanken: „Leopoldine ist sehr gefaßt, scheint zufrieden mit ihrem Schicksale, hat nicht überspannte Gedanken von den Herrlichkeiten Brasiliens. Nur eines wünschte ich ihr für den Anfang: einen klugen Rathgeber, damit sie nach den dortigen Begriffen, Sitten, Gebräuchen sich schmiege, welches für die ersten Schritte not­wendig ist, um eine gute und angenehme Zukunft vorzubereiten. In (!) einem so steifen Hofe, wo es allerhand besondere Personagen giebt, gehört eine gewaltige Klugheit, um es nicht mit diesem oder jenem zu verder­ben — welches bey manchen lächerlichen Blößen, die dort zu finden seyn werden, leicht geschehen kann. Und Sie kennen Leopoldine — sie ist oft gewaltig offenherzig“ 30). Als sie abreiste, wurde es Johann „ganz weich ums Herz — es ist ja meines Herren Kind und oesterreichisch Blut. Sie gehet in ein Land, wo es ganz ein eigenes Benehmen erfordert. Ich hoffe, sie wird uns Ehre machen“ 3I). Nur zu bald erwies sich dann, daß es keine „gute und angenehme Zukunft“ war, die sich in dem fernen Land an der Kaiserstochter erfüllte. Mehr als mit der Weiblichkeit in der Familie befassen sich Johanns Briefe mit seinen Brüdern, unter denen ihm besonders der Gefährte seiner 25) Nr. 18 vom 20. 6. 1816. 26) 29. 12. 1829. 27) Erzherzog Karls öffentliche Tätigkeit hatte mit der Niederlegung des Armeekommandos im Juli 1809 ein Ende gefunden. Vgl. Criste, Erzherzog Carl von Österreich, Bd. 3, Wien 1912, S. 432 f. 28) Nr. 38 vom 28. 2. 1830. 29) geh. 22. 1. 1797, vermählt mit Dom Pedro I. 1817, gest. 11. 12. 1826. Vgl. Olga Obry: Grüner Purpur. Brasiliens erste Kaiserin, Erzherzogin Leopoldine. Wien 1958. 39) Nr. 21 vom 4. 4. 1817. 3i) Nr. 22 vom 27. 11. 1817.

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