Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise
Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise 539 englischen Reise32), Ludwig33), nahestand: er weiß, daß er mir der liebste Bruder ist . .34). Gerade deshalb machte sich Johann in den fortschreitenden Jahren immer mehr Sorgen um ihn. Ludwig hatte keinen ihn menschlich ausfüllenden Pflichtenkreis und vertändelte als Junggeselle seine Zeit ohne rechten Nutzen in der Gesellschaft dieser oder jener Erzherzogin. Marie Louise war ja die erste gewesen 35). Dann zog ihn Henriette an und nach ihrem Tod flüchtete er sich zu Sophie36). 1831 war Maria Anna, die Tochter des Königs Maximilian Joseph von Bayern in sein Gesichtsfeld getreten und er machte sich einige Hoffnungen, wenn auch, wie es scheint, mit nicht allzu großer Überzeugung. Johann schrieb: „ich bin wieder derjenige, welcher dem Herren die Sache beyzubringen habe .. . Ludwig weiß nichts davon, aber die Frauen haben mich dazu erwählet —! in Gottes Namen, wenn er glücklich wird, was ich ihm sehr wünsche“ 37). Aber die Zeit verging und Ludwig kam, ohne recht zu wissen, wie ihm geschah, um seine Chance. Johann berichtete rückblickend: „die Sache wurde von allen Seiten so auf Schraufen gesetzet, daß man nie wüste, woran man war. — Die unbestimmten bedingnißweisen Äußerungen von der einen Seite konnten unmöglich Ludwig veranlassen, einen bestimmten Schritt zu thun — so blieb es ... man hörte nichts, plötzlich heißt es, Fritz von Sachsen 38) hat geworben und erhalten — nun gieng es meinem armen Bruder zu Herzen ... ich tröstete ihn damit, daß ich meine, es müsse kein besonders Herz zu ihm gewesen seyn, wenn man jemand mit einem empfindsamen Brief (das that Fritz) gewinnen könne. Wäre nur die geringste Zuneigung vorhanden gewesen, so hätte man entweder ausgeschlagen den neuen Antrag, oder wenigstens durch jemand, deren es genug hier gab, gefraget“ 39 *). Ludwig hatte offenbar zu große Zurückhaltung bewiesen und trug gewiß Mitschuld an seiner Enttäuschung. Aber Johann verteidigte dessen Handlungsweise: „Wir vom österreichischen Hause sind nicht so demonstrativ als wie viele andere. Dieß lieget darinnen, daß wir eine nach früheren Begriffen geführte Erziehung genossen — indeß bedauern wir es nicht, denn wer es der Mühe werth hält, uns näher kennen zu lernen, wird bald finden, daß unter einer ernsten spanischen Außenseite, welche viele mit Unrecht für Stolz oder Verlegenheit auslegen, warme, treue, redliche 32) Mit dieser Reise befassen sich die Briefe Nr. 11—17. Vgl. dazu Eduard Wertheimer: Aufenthalt der Erzherzoge Johann und Ludwig in England 1815 und 1816, Wien 1892, und die dort zitierten Editionen aus den Tagebüchern. 33) Geb. 13. 12. 1784, gest. 21. 12. 1864. Feldzeugmeister, Generaldirektor der Artillerie, Mitglied, nach Franz I. Tod, Chef des Staatsrates. 34) Nr. 41 vom 10. 7. 1830. 35) Vgl. Bourgoing a. a. O., S. 36 f. 36) Schwester des Königs Ludwig von Bayern, Gemahlin Erzherzog Franz Karls seit 4. 11. 1824, gest. 28. 5. 1872. 3U Nr. 44 vom 7. 2. 1831. 38) Herzog Friedrich August von Sachsen vermählte sich mit Maria Anna am 24. 4. 1833. 3») Nr. 45 vom 3. 12. 1832.