Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Aus den Anfängen der christlichsozialen Bewegung in Österreich. Nach der Korrespondenz des Grafen Anton Pergen

Aus den Anfängen der christlichsozialen Bewegung in Österreich 467 Christi“ gegründet11), die nach der Einnahme Roms ihre Tätigkeit von Genf aus fortsetzte. Dorthin, an den damaligen Amtssitz des Genfer Weihbischofs Gaspard Mermillod12), der beim Gründungsakt in Rom die Ansprache gehalten hatte, flüchtete Graf Blome aus dem besetzten Rom 1S), fuhr Baron Still­fried als Präsident der Michaelsbruderschaft14), kamen katholische Adelige aus allen Teilen Europas. Am 23. Oktober 1870 fand in Genf die erste Sitzung der Vereinigung statt. Der einzige Punkt der Tagesordnung war der Raub des Kirchenstaates durch Italien15). Das Ergebnis der Beratun­gen war die Gründung der sogenannten „Genfer Korrespondenz“, ein in deutscher und französischer Sprache erscheinendes Publikationsorgan, das die katholische Presse mit verläßlichen kirchenpolitischen Informationen versorgen sollte. Die Kosten dieses Unternehmens bestritt zum großen Teil Graf Blome, der auch in der Redaktion zumindest nominell die Führung übernahm16). Zahlreiche Standesgenossen stellten sich als Korrespon­denten zur Verfügung, zwei österreichische Adelige, Graf Ferdinand Brandis 17) und Graf Anton Pergen, übersiedelten sogar für einige Jahre nach Genf, um der „Korrespondenz“ ihre Arbeitskraft uneingeschränkt widmen zu können. Der 1839 im niederösterreichischen Pottenbrunn geborene Graf Anton Pergen war nach seiner Tätigkeit als Gansandtschaftsattaché in München, Rom und Paris im Februar 1868 zum Legationssekretär bei der österreichi­schen Botschaft in Rom ernannt worden18). Im Oktober 1868 suchte er offiziell wegen der „definitiven Regelung von Familienangelegenheiten“ um Versetzung in die „Disponibilität“ an 19). In München war sein Chef der da­malige Gesandte Graf Blome gewesen, die persönliche Zusammenarbeit der beiden Männer reichte also bis 1863 zurück. Zur Zeit der schon erwähnten Gründung der Vereinigung katholischer Edelleute20) befand sich Pergen in Rom, der sich dort schon 1869 gelegentlich der Adreßdeputation zur • • i) August M. Knoll, Der soziale Gedanke im modernen Katholizismus, Wien- Leipzig 1932, S. 109. 12) Über den bekannten Schweizer Katholikenführer, Sozialreformer und spä­teren Kardinal vgl. Catholicisme et vie internationale, publié a l’occasion du cen- tenaire du Cardinal Mermillod, Fribourg 1924, und Friedrich Novotny, Die Vor­arbeiter der Enzyklika Rerum novarum, Ungedr. phil. Diss., Wien 1954, S. 32 ff. 10) Hartei a. a. O., S. 145. 14) Krisianowsky a. a. O., S. 92. is) Knoll a. a. O., S. 109. 16) Hartel a. a. O., S. 145. i?) Ebendort. Über Ferdinand Gf. Brandis (1819—1904) vgl. Genealogisches Handbuch der Gräflichen Häuser Al, 1952, S. 77. 18) 1868 II 15, Konzept des Ernennungsdekretes, Administrative Registratur, Personalakt Pergen, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. i®) 1868 X 10, Orig, des Gesuches, ebendort. 2«) Siehe oben S. 466 f. 30*

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