Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Aus den Anfängen der christlichsozialen Bewegung in Österreich. Nach der Korrespondenz des Grafen Anton Pergen
466 Erika Weinzierl-Fischer gehend zusammenfaßte: „Unser Glaube und unsere Kirche beruhen nicht auf konstitutioneller Grundlage. Aber die Rechte unserer Kirche werden verletzt, wenn wir uns ferner vom konstitutionellen Leben enthalten. Wenn durch die konstitutionelle Verfassung Unheil kam, kann nur durch diese Verfassung geholfen werden. Zweck unseres konstitutionellen Volksvereins ist es, alle Männer zu einer Partei zu vereinigen, welche den Mut haben, offen ihre religiöse und politische Überzeugung zu bekennen“ 5). Zu dieser Zeit war Eduard Freiherr von Stillfried-Ratenitz 6) Präsident der Michaelsbruderschaft, ein Adeliger wie alle seine Vorgänger und Nachfolger in dieser Funktion und wie Graf Leo Thun, der im Februar 1869 im Namen von ungefähr 300 maßgebenden Katholiken aus aller Welt eine Ergebenheitsadresse für Papst Pius IX. verfaßte und bei der gemeinsamen Audienz zur Verlesung brachte 7). Der damalige österreichische Botschafter beim Hl. Stuhl Graf Trauttmansdorff hat diesem jährlich geübten Brauch der sich gerade in Raum aufhaltenden Ausländer von Rang infolge des 1869 besonders großen Anteils an österreichischen Adeligen nicht mit Unrecht einen demonstrativen Charakter zugeschrieben 8 *). Der Geschichtsschreiber des österreichischen Konkordates von 1855, Max von Hussarek-Heinlein, hat daher auch in dieser Huldigung der katholischen Edelleute der Monarchie den „Auftakt für die sich in den folgenden Jahren entfaltende konservativ-soziale Bewegung“ gesehen»). Man kann nun nicht mit Gewißheit sagen, ob Baron Stillfried und Graf Gustav Blome 9a), einer der treuesten Anhänger Pius IX., an dieser Audienz teilgenommen haben. Da aber sowohl Stillfried wie Blome sehr häufig den Winter in Italien verbrachten und Blome im folgenden Jahr bei der Besetzung Roms durch die Soldaten Viktor Emanuels sogar in Lebensgefahr geriet10), darf ihr Aufenthalt in Rom im Februar 1869 fast als sicher gelten. Auf jeden Fall hat sich damals in Rom der papsttreue Adel Europas getroffen und fast genau ein Jahr später im mamertinischen Kerker jene Vereinigung zur Aufrichtung des „gesellschaftlichen Königtums Jesu ») Josef Wolny, Fünfzig Jahre für Kirche und Papst. Chronik der Erzbruderschaft vom heiligen Erzengel Michael in Wien (1860—1910), Wien 1911, S. 108. ») Biographische Angaben ebendort S. 458. 7) Max Hussarek, Die Krise und die Lösung des Konkordates vom 18. August 1855, Archiv für österr. Geschichte 112, 1932, S. 300. 8) „une réunion démonstrative d’adhérents chaleureux du Saint Siege“. Privatbrief an Reichskanzler Beust vom 19. II. 1869, Pol. Archiv, Rom Varia, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. ») Hussarek a. a. 0„ S. 395. 9a) Der 1829 in Hannover geborene Diplomat konvertierte 1858. Als österreichischer Gesandter in München 1865 hatte er maßgeblichen Anteil am Abschluß der Gasteiner Konvention. Über Blome vgl. Gertrude Hartei, Graf Gustav Blome. Ein Bild seines Lebens. Ungedr. phil. Diss. Wien 1952. i«) Ebendort S. 145.