Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Aus den Anfängen der christlichsozialen Bewegung in Österreich. Nach der Korrespondenz des Grafen Anton Pergen

Aus den Anfängen der christlichsozialen Bewegung in Österreich. Nach der Korrespondenz des Grafen Anton Pergen. Von Erika Weinzierl-Fischer (Wien). Die demokratischen Errungenschaften der Revolution von 1848 — Presse-, Rede- und Versammlungsfreiheit — haben bekanntlich auch den österreichischen Katholiken den Weg zu öffentlichem politischem Wirken frei gemacht. Die unmittelbar nach der Gewährung der Konstitution ent­standenen Neugründungen wie z. B. der Katholikenverein Emanuel Veiths wurden zwar durch die der Niederwerfung der Oktoberrevolution folgende Reaktion in ihrer Tätigkeit praktisch lahmgelegt bzw. wieder in den rein religiösen Bereich zurückgewiesen1)- Trotzdem können der seit 1850 unter dem Namen St. Severinus-Verein arbeitende Katholikenverein, der seit 1857 bestehende Katholische Jünglingsverein und die 1860 von Laien gegründete St. Michaelsbruderschaft als Vorläufer der katholischen politischen Par­teien in Österreich bezeichnet werden2). In besonderem Maß gilt dies von der Michaelsbruderschaft, die unter dem Eindruck der Bedrängnis des Kir­chenstaates durch die italienische Einigungsbewegung entstanden ist und sich folgende Aufgaben gestellt hatte: Pflege der Liebe zur Kirche, Förde­rung des katholischen Lebens, Verteidigung der Rechte der Kirche und ihres Oberhauptes 3). Der österreichische Kulturkampf und der drohende Untergang des Kir­chenstaates gaben dann den direkten Anstoß zur politischen Formierung der Katholiken und zwar zunächst in den schon bestehenden Organisationen und dann in neuen Institutionen wie den seit 1868 in Erscheinung tretenden katholischen Kasinos und den katholisch-politischen Volksvereinen 4 *). Die Überlegenheit der Liberalen im Verfassungskampf hat schließlich auch die Katholiken jene Schlüsse ziehen lassen, die Graf Walderndorff als Depu­tierter des Konstitutionellen Volksvereins für das Viertel ober dem Wiener Wald auf der Generalversammlung der Michaelsbruderschaft 1869 dahin­>) Vgl. Eduard Hosp, Kirche im Sturmjahr, Wien 1953, S. 55 ff. 2) Über die genannten Vereinigungen vgl. Hildegard Krisianowsky, Die An­fänge des katholischen Vereinslebens nach 1848 in Wien. Ungedr. phil. Diss. Wien 1937, S. 22, 37, 80, 88 ff. 3) Ebendort S. 88. 3) Rudolf Till, Die Anfänge des christlichsozialen Parteigedankens in Öster­reich. Ungedr. phil. Diss., Wien o. J., S. 86 ff., 92 f. Mitteilungen, Band 14 30

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