Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

RILL, Gerhard: Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706)

Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706) 327 eines Porträts Karls in der Casa de Aragon verhinderte «. Diese und andere Re­pressalien der Kurie erfordern Satisfaktion, schreien nach der poderosa mano des Königs. Die tatsächliche Entwicklung in Spanien zeigt, daß Lamberg offene Türen einrannte. Seit Ende 1705 war dort die Junta Eclesiástica de Con- fiscaciones tätig, die neue Regierung suchte mit Riesenschritten das Vor­bild jenseits der Pyrenäen einzuholen* 44). Aus dem bisherigen Überblick ist bereits deutlich geworden, daß dem Botschafter die allgemeine Kritik der päpstlichen Regierung viel mehr am Herzen lag als seine eigentliche Aufgabe. Bestehen nun zwischen unserer Denkschrift und der prominentesten, von Ranke als Hauptquelle für die Zeit Clemens’ XI. benützten Kurienkritik dieser Jahre, der Finalrelation Erizzos, irgendwelche direkten Beziehungen? Die Schilderung des vene­zianischen Botschafters hat, trotz den entwertenden Bemerkungen Pomettis und Pastors durch den Vergleich mit den Relationen Morosinis (1707) und Tiepolos (1713) ihren hohen Grad an Glaubwürdigkeit behauptet; es wurde in diesem Zusammenhang jedoch auch die Frage aufgeworfen, ob und wie weit die beiden Referenten vom Urteil ihres Vorgängers beeinflußt worden waren 45). Und diese Frage gilt auch im Hinblick auf Lamberg: denn dieser stand nicht nur in ständigem Kontakt mit Erizzo, er hat nach eigenen Angaben dessen Finalrelation auch selbst gelesen46). Die Folgen dieser Lektüre sind in unserer Denkschrift — auch abgesehen von allgemeinen Wendungen — leicht zu erkennen, besonders bei der Kritik an Clemens XI.: auch bei Erizzo ist dieser Papst der typische Corteggiano, umgeben von un­fähigen Ministern, aber selbst fähig, jedem der beiden streitenden Diplo­maten (Janson und Lamberg) eine andere Parteinahme vorzutäuschen47). Erizzos Schrift scheint nicht nur inhaltlich auf Lamberg gewirkt, sondern ihn auch zur Abfassung einer eigenen Relazione angeregt zu haben, — zu einem (unvollendet gebliebenen) Werk, das vor allem auf einer ungeheuren Fülle von Tagebuchnotizen basiert48). Die heftigsten Ausfälle jedoch und 46) Über diese Vorfälle ausführlich: Tagebuch 1, 1037; 2, 847 und 1381. 44) Pedro Voltes Bou, La jurisdicción eclesiástica durante la dominación del Archiduque Carlos en Barcelona (Hispania sacra 9, Barcelona-Madrid 1956) 118 ff. — Über das Verhältnis Karls zum Papsttum vgl. Hans Kramer, Habs­burg und Rom in den Jahren 1708—1709 (Publikationen d. österr. hist. Instituts in Rom 3, 1936) 6 ff. 46) Francesco Pometti, Studi sul pontificate die Clemente XI. 1700—1721 (Archivio della R. Societä romana die Storia Patria 21, 1898) 307 ff., 358 f.; Pastor 15, 16; Morandi, Relazioni LVI ff. 46) Relazione istorica fol. 105v: . . . il cavaliere Erizo allora ambasciatore di Venezia alia Sede Apostolién non disse male nella sua relazione tanto odiosa ai preti . . . 47) C e c c h e 11 i, La Republica- di Venezia 328, 330 f. 48) Schon im Tagebuch 3, 763 erklärt Lamberg seine Absicht, auf Grund der Diarien und Korrespondenzen eine für den Druck bestimmte Relation zu ver­fassen.

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