Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

RILL, Gerhard: Die Staatsräson der Kurie im Urteil eines Neustoizisten (1706)

326 Gerhard Rill seine Offerte machen38). Im Juli des folgenden Jahres berichtet der Bot­schafter nach angeblich sicheren Informationen: Frankreich habe der Casa Albani das halbe Königreich Neapel angeboten, der Papst wolle jedoch lieber Modena und Reggio etc. etc.39). Aus allen diesen Nachrichten den wahren Kern herauszuschälen, scheint nahezu unmöglich. Lamberg hatte sicher Recht, v^snn er die Zustimmung der Nepoten zu den französischen Angeboten annimmt. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, daß Clemens XI., auf den es ja in erster Linie ankam, seine Hand im Spiel hatte. Die Lamen­tationen der enttäuschten Schwägerin lassen eher darauf schließen, daß der Papst derartige Geschäfte einfach nicht mit seinem Gewissen verein­baren konnte oder —- wie andere (Buder) behaupteten — daß er zu vor­sichtig war, um sich dieserart völlig den Franzosen auszuliefern40). Die Kritik an der Räson und am gegenwärtigen Zustand der Kurie sind innerhalb der ganzen Schrift eigentlich nur als Präambel gemeint. Jetzt erst kommen die speziell die spanische Krone betreffenden Beobachtungen zur Sprache; da sie weder historisch besonders aufschlußreich sind, noch auf die spanischen Verhältnisse irgendwelchen Einfluß ausgeübt haben, genügt hier ein kurzer Überblick. An den Kardinalen, jenen nämlich, die Vasallen des Königs von Spanien sind, findet Lamberg wenig gute Züge 41. Acquaviva ist ein genio maquinante und erz­französisch, Ruffo ist ihm durch seine Beziehungen zum Haus Buoncompagno verdächtig42, Giudice ein Lucifer vestido de Colorado. Pignatelli und vor allem Casoni sind dagegen die einzigen, denen der Botschafter Sympathie und Achtung entgegenhringt. Was nun das Verhältnis Spaniens zum Papstum betrifft, so zeigt die ständige Bevorrechtung der gallikanischen gegenüber der spanischen Kirche, daß hier eine precisa razón de estado am Werk ist. Und gerade jetzt scheint die Stunde gekommen zu sein, in der man die unmäßigen Rechte der Kurie über die spanische Kirche beseitigen kann; denn wo der König als Erobe­rer auftritt, dort kann er alte Mißbräuche, auch wenn sie im Recht verankert sind, korrigieren: el conquistador es toda la ley. Jede Rücksichtnahme wäre falsch am Platze, denn der Papst hat seine Gesinnung gegenüber dem König deutlich bekundet: schon als er duldete, daß der Kardinal Medici (an seinem Palast) in Verbindung mit dem päpstlichen Wappen die Zeichen Frankreichs zur Rechten der spanischen anbringen ließ, und zuletzt, als er die Schaustellung 38) Tagebuch 2, 151. 39) Lamberg an Leopold I. am 21. Juli 1703 (Archiv Liechtenstein Vaduz). — In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts führten Angehörige des aus Pesaro stammenden Hauses Ondedei im Herzogtum Mantua (Vesale) den Grafentitel. Vgl. G. B. di C r o 11 a 1 a n z a, Dizionario storico blasonico delle famiglie nobili e notabili italiane (Pisa 1886) 230 f. Laut Moros ini (Morandi, Relazioni 207) waren es zuerst die Verwandten der Maria Bernardina Albani (Ondedei), die aus den Werbungen Frankreichs um die Nepoten Profit zogen. 4°) Siehe oben 324 Anm. 30. 41) Außer den Genannten werden noch Orsini, Serrari, d’Adda, Omodei, Morr gia und Archinto kritisiert. Kurze Biographien bei Lorenzo Cardeila, Me- morie storiche de’ Cardinali della Santa Romana Chiesa 8 (Roma 1794). 42) Anspielung auf die Gefangennahme des Principe della Riccia. Vgl. Hein­rich Benedikt, Das Königreich Neapel unter Kaiser Karl VI. (Wien-Leipzig 1927) 25.

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