Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

BENNA, Anna Hedwig: Ein römischer Königswahlplan Karls III. von Spanien (1708–1710)

10 Anna Hedwig Benna einzugehen. Karl befolgte diesen Rat. Die Korrespondenz zwischen ihm und Sinzendorf wurde in den folgenden Jahren reger. In Sinzendorfs eigenhän­digen Schreiben finden sich ebenso wie in den eigenhändigen Schreiben Wratislaws wertvolle Hinweise auf die Verhältnisse des Wiener Hofes, vor allem für die letzten Regierungsjahre Kaiser Josephs I., die zweifellos einen Abstieg des Kaisers in menschlicher und politischer Beziehung bedeute­ten64 *). Für Karl bedeuteten diese Briefe wertvolle Informationen, da sie ja von zwei entgegengesetzten Lagern kamen. Dem Historiker unserer Tage runden sie das Bild, das man aus den Berichten der fremden Gesandten am Wiener Hof6ä) wie etwa aus dem zeitgenössischen Pamphlet des Grafen Venzati von 1706 66) gewinnt, ab. Eine Konfrontierung der Protokolle der geheimen Konferenz, der Joseph I. meist selbst präsiedierte, mit diesen Korrespondenzen würde dann ein Urteil über die Regierung und Persönlich­keit Josephs I., das noch aussteht, ermöglichen. Für Karl III. bauten die beiden Korrespondenzen Brücken in die ferne Heimat. Sie wurden ihm viel­fach der Weg zu seinem Bruder Joseph, vor allem zu einer Zeit, da das gute Einvernehmen und die Eintracht zwischen den beiden durch ihre ge­gensätzlichen Auffassungen über die Bedeutung und Notwendigkeit der Er­oberung Spaniens bedroht und getrübt erschien. Als Joseph I. sich beharr­lich den Forderungen seines Bruders nach Entsendung Prinz Eugens nach Spanien wider setzte 67), sekundierte ihm Wratislaw. Es konnte nicht aus- bleiben, daß Karl Wratislaw nicht mehr so wie früher in alle seine Absich­ten und Pläne einweihte 68) sondern eher versuchte über Sinzendorf und die Kaiserinmutter zum Kaiser zu gelangen. Und dies vor allem bezüglich seines Planes, das römische Königtum zu erreichen. Im Gegensatz zu Wratislaw, der über die Einmischungen und Interventionen der beiden Kaiserinnen und vor allem der Kaiserinmutter in bewegten Worten Klage führte 69) und sich die Gunst der beiden hohen Damen verscherzt hatte70), erfreute sich Sin­°4) Zum Wandel in der Beurteilung Kaiser Josephs I. vgl. Redlich, Werden einer Großmacht, S. 49 f., W. Bauer, Joseph I. Mitt. d. Oberösterr. Landesarchivs 4 (1955) S. 260 ff., 263 f., 274 f. Berney a. a. O., S. 165. Braubach, Gestalten und Abenteuer, S. 179. °5) Vor allem die Berichte der venetianischen und preußischen Gesandten vgl. Arneth, Die Relationen der Botschafter Venedigs über Österreich im acht­zehnten Jahrhundert, FRA 11/22 (1863) S. XVI, XXII, 1—41. Berney a. a. O., S. 165. °6) Braubach, Gestalten und Abenteuer, S. 175—205. 67) Wratislaw an Karl III., 1708 März 6, Familienkorrespondenz A Kart. 18. °8) Wratislaw führte in seinen beiden Schreiben an Karl III. vom 15. Jänner, Arneth, AfÖG 16, S. 58 und vom 7. April 1708, Familienkorrespondenz A Kart. 18, bewegt darüber Klage. 69) Wratislaw an Karl III., 1707 März 16, 1709 März 27, Dezember 29, Fa­milienkorrespondenz A Kart. 18. Die hier genannten Briefstellen sowie viele andere die Erbfolge und den Hof betreffenden Abschnitte in der Korrespondenz Wratislaw — Karl III. wurden von Arneth in der Edition weggelassen. 70) Berney a. a. O., S. 165, Anm. 27.

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