Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

BENNA, Anna Hedwig: Ein römischer Königswahlplan Karls III. von Spanien (1708–1710)

Ein römischer Königswahlplan Karls III. von Spanien 11 zendorf der Gunst und des Vertrauens der Kaiserinmutter, deren Wort ebenso wie das der regierenden Kaiserin 70) beim Kaiser etwas galt. Aus dem Antwortschreiben Wratislaws auf seinen römischen Königs­plan 71) hatte Karl III. ersehen können, daß er nicht mit einer Unterstüt­zung dieser Aktion von seiten Wratislaws rechnen konnte; der Hinweis Wra­tislaws, die Eintracht zwischen Kaiser und König sei das wichtigste Ziel, war wohl deutlich genug. Es ist wohl anzunehmen, daß Wratislaw Joseph I. gut genug kannte, um zu wissen, daß er mit Karls Plan nicht kommen durfte. Karl III. hatte aber diesen Plan nicht begraben. Eine vertrauliche Nachricht Sinzendorfs über Absichten des Herzogs von Savoyen, seinem Sohn die Hand einer der beiden kleinen Töchter des Kaisers zu sichern72), nahm Karl zum Anlaß, um Sinzendorf zu ersuchen, mit dem Reichsvizekanz­ler Schönborn über seine Aussichten im Reich zu sprechen 7S). Karls anfäng­liches Mißtrauen gegenüber Sinzendorf74) war zu dieser Zeit bereits ge­schwunden und hatte einer objektiveren Haltung Platz gemacht. Karl kam dazu, die Fähigkeiten und die Dienstbereitschaft Sinzendorfs zu schätzen. Er beauftragte ihn, nach freiem Ermessen in seinem Interesse zu verhan­deln, ja verließ sich auf dessen gesundes Urteil und eigene Initiative, da er erkannt hatte, daß die räumliche Entfernung ihn selbst am meisten an der konsequenten Verfolgung seiner Absichten hinderte 75). Sinzendorf brachte die Frage der Nachfolge im Reich, deren Bedeutung von den Wiener Staatsmännern angesichts des Fehlens eines männlichen Nachkommen des Kaisers nicht verkannt wurde, zur Sprache. Bei diesen Beratungen äußerte der Reichsvizekanzler, einem römischen Königtum Karls III. stünde die Unvereinbarkeit von spanischem Königtum und römi­schem Kaisertum entgegen76), ein Einwurf, von dem Sinzendorf annahm, daß er höhere Wurzeln habe. Damit stellte sich der Verwirklichung von Karls Absichten ein neues Hindernis in den Weg, das zu beseitigen Sinzen­dorf versprach. Sinzendorf erreichte auch einiges, vor allem die Sympathien und die Unterstützung und Förderung dieses Planes durch die beiden Kai­serinnen. Gemeinsam bemühten sich Sinzendorf und die beiden hohen Damen, eine Form zu finden, die auch für den Kaiser annehmbar war und die vor allem die Interessen eines sich vielleicht doch noch einstellenden Sohnes nicht schädigte. Für den Fall, daß der Kaiser noch einen Sohn be­käme, sollte Karl verpflichtet sein, ihn zum römischen König wählen zu las­7U Wratislaw an Karl III., 1706 Dezember 10, Arneth, AföG 16, 31. vgl. oben S. 6. 72) Sinzendorf an Karl III., 1708 Juni 18, Große Korrespondenz Fz. 74 a. vgl. oben Anm. 31. 73) Karl III. an Sinzendorf, 1708 August 25, Familienkorrespondenz A Kart. 22. 74) Vgl. oben S. 9. 75) Karl III. an Sinzendorf, 1708 August 25, Dezember 27, Familienkorre­spondenz A Kart. 22. 76) Sinzendorf an Karl III., 1708 August 28, Große Korrespondenz Fz. 74 a.

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