Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

360 Alois Brusatti gesellschaften nicht ausdrücklich genannt. Aber jeder Privilegienbesitzer hatte das Recht, zur Ausübung seines Privilegs beliebig viel Gesellschafter aufzunehmen. Die Kommerzhofkommission sah sich veranlaßt, dazu Stel­lung zu nehmen: nach dem Privilegspatent sei, so bestimmte sie am 15. 10. 1321, ein Verein aus Aktionären wohl zuzulassen, aber eine solche Ankündi­gung darf nur als eine private erfolgen. „Die Regierung habe sich dabei in keine wie immer geartete Würdigung der Privatinteressen einzulassen.“ Aber dann brachte die Kommerzhofkommission doch eine Art erstes Re­gulativ für Aktiengesellschaften zusammen, indem sie bestimmte, daß jeder Vorentwurf beim Merkantil- und Wechselgericht protokolliert und zur Ge­nehmigung ein Aktienplan, ein Kontraktentwurf samt Aktenmuster usw. eingereicht werden müsse. Das konnte für das erste genügen; denn die Zahl der Aktienvereine war nicht umfangreich. Wir sind hier allerdings fast nur auf Literaturangaben angewiesen, da der Aktenbestand der Hofkanzlei, bei der alle Privileg­ansuchen eingegeben worden sind, vollkommen vernichtet ist86). Aber auch in der Literatur finden wir unterschiedliche Angaben über die Anzahl dieser ersten Aktiengesellschaften; so finden wir im Almanach der österreichischen Aktiengesellschaften folgende Zahlen angegeben: 1831—35: 12, 1836—40: 22, 1841—50: 35 Gründungen 87); auf weniger Aktiengesellschaften kommt ein anderer Verfasser88). Es ist die Anzahl der Gesellschaften aber vielleicht gar nicht so inter­essant, weil es ja ein feststehendes Aktienrecht ja gar nicht gegeben hat. Denn, wenn der erstgenannte Verfasser als erste österreichische AG. den „Verein der Actionäre der Schießstätte zu Graz“, der 1795 gegründet worden ist, angibt, hat ein solcher Verein nichts mit dem, was wir unter einer Aktiengesellschaft verstehen, zu tun. Auch später wurden eine ganze Anzahl solcher Aktionärsvereinigungen gegründet, die aber so klein waren, daß sie heute bestimmt unter die für AG.s geschaffene Grenze des Mindest­kapital fallen würden. Es sei nur an die Heilbad-AG. in Hofgastein (ge­gründet 1828) und an den Prager Kettenbrückenverein (von 1828) erin­nert; auch später wurden noch ähnliche Aktienvereine gegründet, die ein überraschend langes Leben hatten (Gleichenberger und Johannesbrunner Aktienverein von 1832, das Dianabad-Actienunternehmen von 1840, die Aktiengesellschaft der Prager Schwimm- und Badeanstalten von 1840, die Sofienbad-AG. Wien von 1846; die letztere brachte übrigens ohne weitere 86) Der Bestand VA, Hofkanzlei ist ja bekanntlich durch Brandschäden schwer dezimiert und über das gesamte Privilegienwesen existiert nur mehr ein Karton (V G 1—3), mit einigen z. T. aber auch verbrannten Blättern; der Bestand Kreditwesen ist überhaupt vernichtet. 87) Almanach der österreichischen Aktiengesellschaften, XIII. Jg., Wien 1948, S. 10 f. 88) Ludwig Videky: Das Geld- und Kreditwesen Österreichs und die Industrie, in „Österreichs Großindustrie“, Bd. VI, S. 165.

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