Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)
BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz
Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz 361 Anstrengungen das erforderliche Aktienkapital von 360.000 fl. in kürzester Zeit auf89). Entscheidend aber wurde es, daß sich in der Industrie allmählich der Gedanke der Aktiengesellschaft durchsetzte. 1828 wurde die Zuckerfabrik Brüx mit Hilfe eines „Actionärs-Vereins“ gebaut, einen größeren Umfang hatte auch die „Aktiengesellschaft der Trumauer und Marienthaler Baumwollweberei, -Spinnerei und -druckerei“ von 1838; wie ja überhaupt in der Textilbranche die Aktiengesellschaften sich am raschesten durchsetzten — so z. B. die Aktiengesellschaft der Vöslauer Kammgarn-Fabrik von 1846. Auch die Mühlenindustrie in Triest (1830) und später in anderen Teilen Österreichs bediente sich der Form der Aktienausgaben, um Großmühlen zu errichten. Sehr verheißungsvoll war der Anfang der „Dampfmaschinen- fabriks-Aktiengesellschaft in Wien“. Im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch der Großhandlungshäuser Geymüller und Steiner, die ein Fünftel des Aktienkapitals gezeichnet hatten, kam diese Gründung aber bald in große Schwierigkeiten, zumal ein Teil der Aktien noch nicht ausgegeben gewesen, sondern in Reserve geblieben war. Da laut Feststellung der Hofkammer 90) bei den „derzeitigen Geschäftsverhältnissen“ eine Weiterführung nicht möglich schien, so bekam diese Gesellschaft unter Vermittlung der Behörden ein Bankdarlehen (Rothschild?), um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Interessant war es, daß man den einzelnen Behörden über die Zweckmäßigkeit und die Seriosität solcher Actienvereine unterschiedlicher Meinung war. Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, daß die Hofkanzlei zunächst in ihrer Haltung dem Problem gegenüber keinen festen Standpunkt hatte, aber auch der Materie fremd gegenüber stand. Die Hofkammer nahm da einen viel reiferen Standpunkt ein, wie gleich bewiesen werden soll. Angeregt durch die Erfolge der Aktienvereine bei der Beschaffung von Kapital für alle möglichen Zwecke, hatte die Hofkanzlei die Idee, eine Straße, und zwar die über den Loiblpaß mit Hilfe einer Privatgesellschaft auf Aktien zu erbauen; es müßte doch ein leichtes sein, genug Interessenten dafür zu finden, schrieb sie. Der Präsident der Allgemeinen Hofkammer gab in seinem Gutachten sein Befremden über derlei Ansichten zum Ausdruck. Zunächst glaubte er gar nicht daran, daß sich Personen finden werden, die bei einem zu erwartenden niederen Zinsfuß Geld hergeben würden. Übrigens seien „die Bedingungen insbesondere in unserer Monarchie, wo es noch keinen Überfluß an Kapitalien gibt und der Unterbringung von Kapitalien auf eine einträgliche und sichere Weise keine Schwierigkeit entgegen steht und durch das Mißlingen einiger Actien- gesellschaften ein Mißtrauen gegen solche Unternehmungen vermehrt 88 88) FA: 5409 ex 1845. 9«) FA: 1763 und 9168 ex 1843.