Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz 359 Stils ein genossenschaftlicher Grundcharakter vorhanden war, der sich auch in der gut entwickelten Sozialordnung dieser Gewerkschaften aus­drückte. Auch an einer jüngeren Unternehmung läßt sich dieser fast reibungs­lose Übergang der alten, nur auf das Bergrecht hingeordneten Gesellschafts­form zu der privatrechtlich-kapitalistischen Unternehmung feststellen. In Dalmatien gab es seit dem 18. Jh. einen Kohlenbergbau, der allerdings lange Zeit rein lokalen Charakter hatte. Um 1828 begannen eine Reihe von Bankhäuser die Berganteile und die um diese herumliegenden Grundstücke aufzukaufen; 1831 suchten die Wiener Großhandlungs- und Wechselhäuser Rothschild, Geymüller, Stametz, Loewenthal, Wertheimstein, Schnapper, Sina, Arnstein & Eskeles bei der Vereinigten Hofkanzlei um die Erlaubnis an, eine „Aktiengesellschaft zur Beförderung des Steinkohlenbergbaues in Istrien und Dalmatien“ gründen zu dürfen, wobei sie sich außerordentliche Privilegien erbaten83). Die Kohlenvorkommen lagen standortmäßig sehr günstig und Kohlen wurden für den beginnenden Ausbau der Dampfschiff­fahrt und Eisenbahn immer dringender. Diese Aktiengesellschaft, die an sich eine rein privatrechtlich-kapitalistische Großunternehmung war, wurde aber vollkommen in den althergebrachten Formen als „kk. privilegierte Adriatische Hauptgewerkschaft“ protokolliert; sie behielt auch dann noch den Namen bei, als die Privilegien dieser Aktiengesellschaft auch auf Kalk­gruben und Backsteinbrüche ausgedehnt wurden — Materialien, die sonst außerhalb des Bereiches der Bergordnungen standen. Ähnlich war es aber auch in anderen Bergbaubetrieben, wo die Berg­anteile (Kuxe) und die Hüttenbetriebe in Hände übergingen, die dem Be­trieb bereits fernstanden und diesen Anteil rein als Kapitalsbesitz inne­hatten; so war dies am Hüttenberg in Kärnten der Fall84) und bei der Radmeisterkommunität in Vordernberg85). Trotzdem kann natürlich nicht bestritten werden, daß die äußere Form der Aktiengesellschaft über den Weg der westeuropäischen AG.s nach Österreich eingedrungen ist; denn, abgesehen von kleineren Gründungen (s. u.) sind die ersten Aktiengesellschaften kapitalistischer Natur gewesen, vor allem die aus dem Bereich der Versicherung und des Verkehrs. Grundlage für die Gründung einer Aktiengesellschaft waren die „Be­stimmungen über die Gründung von Vereinen“ (Hofdekret vom 12. 11. 1787), wonach in jedem Falle die zuständige Hofstelle die Bewilligung aus­sprechen mußte. Prinzip für alle diese Bewilligungen, blieb bis 1848 die Tatsache, daß bei den Privilegierungen nicht nach bestimmten Grund­sätzen entschieden wurde, sondern jedes Privileg als Gnadenakt galt. Durch das Privilegspatent vom 8. 12. 1820 wurden auch die Groß­handlungs- und Fabriksbefugnisse geregelt; dabei wurden die Aktien­83) FA: Commerzakten, Fasz. 58, Nr. 35 ex 1831, Nr. 6 u. 137 ex 1837. 84) Josef Jörg: Eisen-Menschenschicksal, Horn 1954, S. 167. 85) Georg Göth: Vordernberg ..., Wien 1839, S. 99 ff.

Next

/
Thumbnails
Contents