Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz 357 außer in solchen Ausnahmefällen; es dürfte auch hinzugekommen sein, daß diese Art von Kreditoperationen im Lichte der Revolution von 1848 als eine ungerechtfertigte Begünstigung des Adels angesehen worden waren. Wich­tig aber und vielleicht ausschlaggebend wurde aber die Tatsache, daß dem Adel nach 1848 aus der Grundablöse bedeutende Mittel erwuchsen und er viel weniger als früher auf Kapitalzuflüsse von außen angewiesen war. Als sich das in späterem Verlauf ändern sollte, war inzwischen durch das Handelsgesetzbuch aus dem Jahre 1862 und die entsprechenden Verord­nungen dazu der Kreditverkehr auf eine feste Basis gestellt worden. Dieser gesamte Komplex der „Privat-Anlehen in der Form von Partial­obligationen“ bildete nur ein kleines Teilkapitel des vormärzlichen Kredit­wesens; es wurde aber dennoch ausführlich behandelt, weil hier bei der sonst sehr spärlichen Überlieferung ein fast lückenloses Material auf uns gekommen ist. Deshalb wird in dem zusammenfassenden Schlußkapitel aus der Darstellung dieser speziellen Form für das Gesamtgebiet „Privat­kredit“ Schlüsse gezogen werden. 5. Die Entwicklung der Aktiengesellschaft bis zur Mitte des 19. Jhs. Die anderen Möglichkeiten, Einblick in die Privatkreditverhältnisse des Vormärz zu gewinnen, sind weniger umfassend als dies bei der „Privat­anleihe“ der Fall war. Eine gewisse Möglichkeit bietet dazu eigentlich nur die Entwicklung der Aktiengesellschaften. In der ersten Hälfte des 19. Jhs. entstanden die Aktiengesellschaften in der Form, wie wir sie heute noch kennen; sie hatten ihre Vorläufer gehabt und die Handbücher der Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften nennen als solche mit Vorliebe die Kolonial- und Handelsgesellschaften, wie sie in Westeuropa im 17. und 18. Jh. aufkamen. Das scheint, was mittel­europäische Verhältnisse betrifft, zu einseitig zu sein. Es hat im deutschen Bereich immer schon Kapitalgesellschaften gegeben, die eine der AG. angenäherten Form gehabt haben; man denke nur an die Höchstetter in Augsburg des 16. Jhs. und andere oberdeutsche Häuser. Man könnte diese Häuser aber auch mehr dem Typ einer Kommanditgesellschaft zuschreiben, mit mehr Berechtigung trifft ein der AG. angenäherter Typ auf die Bergwerks- und Montangesellschaften zu. Man scheute sich, diese Art von Gesellschaften — meist, aber nicht immer Gewerkschaften ge­nannt — als Vorläufer der Kapitalsgesellschaften des 19. Jhs. zu sehen. Vielleicht spielte der Umstand mit, daß die Bergbaugesellschaftsformen, wie sie sich im Bismarckschen Reich entwickelten, eine andere gesetzliche Grundlage hatten als die Aktiengesellschaften. Das traf für Österreich nicht zu: wohl gab es auch hier den Typ der Bergbaugewerkschaften, aber in wirtschaftlicher Hinsicht traten die Bergwerke und Montanbetriebe fast nur in der Form von Kapitalsgesellschaften, also meist als AG. oder als Kommanditgesellschaft in den Rechtsverkehr. Auch das heutige öster-

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