Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)
BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz
356 Alois Brusatti Scheidung über die Gesetzmäßigkeit des Besitzes von Partialobligationen der von dem Verein deutscher Fürsten und Edelleute contrahierten Lotto- anlehen von 1,2 Millionen fl. süddeutscher Währung70). Die Hofkammer hatte gar nichts gegen den Vertrieb von ausländischen Obligationen in Österreich, weil sie auf Gegenseitigkeit hoffte. Die Hofkanzlei stimmte allerdings nicht mit der Meinung der Finanzverwaltung überein, konnte aber für diesen Fall mit dem Hinweis beruhigt werden, daß bei den Beratungen über ein Handelsgesetz auch diese Sparte besonders zur Sprache kommen werde. Es kam aber nur zu einem Hofkanzleidekret vom 17. 12. 1847, in dem ausgesagt wurde, daß bis zu einer definitiven Festsetzung gesetzlicher Bestimmungen über die Aufnahme von Privatanleihen in der Form von Par- tial-Obligationen folgende provisorische Verfügung von der Hofkammer —- im Einverständnis mit dem obersten Gerichtshof — erlassen wird: „1. Als der geringste Betrag, auf welchen eine Partialobligation in Privatanleihens-Geschäften künftig gestellt werden darf, hat der Betrag von 100 fl. CM zu gelten. 2. Alle Partial-Obligationen dieser Art müssen auf bestimmten Namen lauten und die Ausfertigung derselben auf Überbringer ist fortan untersagt.“ Das war alles; mit der unteren Grenze von 100 fl. wurde die Lotto- gefällsdirektion bezüglich des Vorwurfs einer Gefährdung der staatlichen Lotterie beruhigt und die Verpflichtung der Namensobligationen sollte die Gläubiger solcher Anleihen gegen unberechtigte Erhöhungen sichern. Solche Anleiheoperationen gingen also auch weiterhin in der etwas ungeregelten Form wie bis zu diesem Hofdekret vor sich, wenn auch die Wechselordnung vom 25. Jänner 1850 auch hier sich merkbar machen sollte. Aber es fällt nun schwer, den weiteren Verlauf dieser „Privatanleihen“ weiter zu verfolgen; denn mit dem Jahre 1848 hörten die Zensurbestimmungen auf. Nur von einigen Privatanleihen hören wir, so für die Wien—Gloggnitzer Bahn und einmal von einer solchen Anleihe für den Grafen Festetics80). Diese Anleihe mußte eigens genehmigt werden, weil die Verschuldung des Grafen bereits so groß war, daß seine Güter irgendwie hypothekarisch — trotz Fideikommiß — belastet werden mußten; das Finanzministerium genehmigte die Anleihe als Ausnahme: „weil sich nach des Grafen eigenem Geständnisse sein Vermögen in derartig zerrütteten Zuständen befindet, daß er selbst die Unmöglichkeit einsieht, seinen Verpflichtungen nachzukommen, wodurch der Graf unverhohlen zu verstehen gibt, daß ihm durch die gewöhnliche Benützung des Kredits kaum mehr geholfen werden könnte.“ Aus dieser Äußerung des Finanzministeriums geht hervor, daß normalerweise „Privatanleihen“ nicht mehr Adeligen gewährt wurden — 70) FA: 10789 ex 1847. so) FA: 10290 ex 1847; 1128 ex 1852.