Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz 355 Aber die Hofkanzlei war gegen die Gewährung solcher Anleihen nicht nur bei Industrieunternehmen, sondern aus grundsätzlichen, staatswirt- sehaftlichen Gründen. Im Notenwechsel betreffend einer Anleihe für den Grafen Podstatzky-Lichtenstein* 77 78) bemerkte die Hofkanzlei, daß „die Finanzverwaltung sich bisher darauf beschränkt habe, daß durch diese Creditseröffnungen ... weder der Staatscredit ... noch sonstige Zweige der Finanzverwaltung unmittelbar gefährdet werden. Nun drohe aber die Gefahr des Überhandnehmens — umsomehr das Publikum gewohnt ist, in der mit Censurbewilligung erscheinenden öffentlichen Aufforderung eine Art Bürgschaft eines geregelten Vorganges zu sehen ... Es wäre auch in nationalökonomischer, mittelbar dann auch in finanzieller Beziehung nicht gleichgültig, wie durch das Überhandnehmen von derlei Operationen das Spiel mit Papieren vermehrt werde ...“. Die Hofkammer widersprach: „ .. . jene Klasse von Kapitalisten, welche ihr Geld in derlei Anlehen einlege, weiß Staats-Obligationen von Privat­schuldverschreibungen sehr gut zu trennen und ist weit entfernt, solche Parzial-Obligationen, auf welchen der Name des Schuldners ausgedrückt ist ... wohl zu kennen ...“. „Auch besteht keine Gefahr für den Privat­kredit, weil von den Handelshäusern, welche die Gefahr auf sich nehmen, immerhin erwartet werden kann, daß sie die Hypothek genau geprüft haben ...“ 77). Auch der Hinweis der obersten Justizstelle, daß die Gefahr des Wuchers bestehe (§ 1001 des ABGB), sei unwahrscheinlich, da in den Teilobligationen die gesetzlichen Zinsendienste nie überschritten werden. Es besteht zwischen den Auffassungen der Hofkanzlei und der Hof­kammer eine große Kluft. In der Praxis wurden auch die Schwierigkeiten, wie sie die Hofkanzlei vor allem in rechtlicher und formaler Hinsicht sah, bald überbrückt. So wurden eben, wie schon angeführt, die Bestimmungen des ungarischen Landrechts, das ein hypothekarische Belastung von Guts­herrschaften verbot, dadurch umgangen, daß man Hypotheken auf nicht­ungarische Besitzungen aufnahm, so z. B. Esterhazy auf seine Herrschaft Pottendorf (NÖ.) und Grafschaft Edelstetten in Bayern. Ungeklärt und für den Geldmarkt daher manchmal weniger interessant war die Stellung ausländischer Privatanleihen; 1847 wurde z. B. eine Anzeige gegen einen gewissen Moritz Beer erstattet, weil er Partial-Obli- gationen zu einem Anlehen, das ein Verein deutscher Fürsten bei den Frankfurter Häusern Schmidt und Fiersheim aufgenommen hatte, in der Höhe von 1,2 Millionen fl. bei sich trug; die Polizei fand 3.000 solcher Stücke, alle in der Höhe von 10 fl.78). Interessant ist dabei, daß Öster­reich doch als Geldgebermarkt in Frage kam, während früher der größte Teil der österreichischen Anleihen im Ausland untergebracht werden muß­ten. Auch das Wechselhaus Uffenheimer et Sohn erbaten sich die Ent­7«) FA: 4234 ex 1845. 77) FA: 8681 ex 1845. 78) FA: 10559 ex 1847. 23*

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