Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

354 Alois Brusatti den sie — da sie sich dem niederösterreichischen Landrecht unterworfen hatten — geklagt. Die Besitzungen dieses Fürsten lagen jedoch in Ungarn und die ungarische königliche Tafel erklärte, es müsse erst der Beweis angetreten werden, ob die Erben nach ungarischem Rechte sachfällig ge­worden seien. Die Gläubiger wandten sich an die ungarische Hofkanzlei, die bestimmte, daß Fideikommißgüter „durch keinerlei Vorwand rechts­gültig hypothekisiert werden können“. Auch vertrat die ungarische Hof­kanzlei die Ansicht, daß „solche Anleihen auf spekulative Kursgewinste berechnet“ und daher für eine ruhige Entwicklung abzulehnen seien. Die Wiener Hofkammer und ihre Beamten waren zwar anderer Ansicht, konnten aber gegen das formelle Recht nichts machen und die Bankhäuser hüteten sich seitdem, Anleihen an ungarische Adelige zu gewähren, wenn diese keine außerungarischen Besitzungen hatten, wie dies bei Esterhazy der Fall war 73). Ähnlich erging es den Gläubigern der Festeticsen Anleihe, die auch aus Zahlungsunfähigkeit des Grafen eingestellt worden war. Dies­mal konnte aber auch die Hofkammer gar nichts unternehmen, denn „dieses Privatanlehen war seiner Zeit ohne jede Intervenierung der Staatsbehörden und ohne alle Garantie derselben zustande gekommen“ 7i). Schon aus diesen beiden Stellen ersehen wir, daß manche Hofstellen, vor allem die ungarischen, diese Kreditaktionen mit Mißtrauen betrachteten; aber auch die österreichische Hofkanzlei erklärte, diese „Privatanlehen mit Fartial-Obligationen seien zwar nicht gesetzwidrig, aber diese Vervielfälti­gung solcher seien in finanzieller Hinsicht bedenklich. Denn die Form sol­cher Schuldverschreibungen mit Couponbögen und ihr Name hat mit Staats­papieren ... eine solche Ähnlichkeit, daß unerfahrene Leute sie für Effek­ten, welche eine Art öffentlichen Credit genießen, zu halten geneigt sind und insbesondere, wo sie auf kleinere Summen lauten, zum Beitritt ver­leitet werden, während sie ihr Geld einem derlei Unternehmen unter den ferneren gewöhnlichen Schuldgeschäften nicht anvertraut hätten. Auch werden Partialen, die sich zu Aktien in gar nichts anderen als durch die Fixierung der Zinsen unterscheiden, leicht ein Gegenstand des Spieles der Agioturen und in dem Maße, als die kreditsuchende Unternehmung bisher in ihrem Unternehmen unglücklich war, trägt jede solche neue Kredit­operation mehr und mehr den Charakter eines Schwindelgeschäftes zur Hinausschiebung eines Bankrottes in sich“ 75). Die Hofkanzlei hatte mit dieser Stellungnahme nicht ganz unrecht; denn solche Privatanleihen hatten mit einer Aktienaufstockung und mit der Auszahlung einer festen Dividende vieles gemeinsam; deshalb hatten sich auch Anleihen im Privatverkehr nicht durchsetzen können, außer dort, wo Kapital gebraucht wurde, aber Aktienausgaben nicht möglich waren — etwa im Falle von Gutsbesitz, der durch Fideikommiß nicht belastet werden konnte. 73) FA: 9684 ex 1846. 7■*) und * 75) FA: 65 ex 1844.

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