Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz 353 gebend gewesen sein, daß die Schafzucht zur Wollgewinnung immer mehr an Bedeutung gewann. Ungarn war der größte Exporteur an Rohschafwolle, wie der österreichische Reichsteil seinerseits einer der wichtigsten Erzeu­ger von Schafwollwaren war69). Die größte Schwäche dieser Art von Kreditoperationen lag natürlich in der sehr langfristigen Kapitalsabzahlung, sodaß die an sich geringen Zins­höhen sich enorm steigerten. Gewisse Gefahrenmomente staken aber auch in der Ungeregeltheit des Verfahrens; es bestand zunächst gar keine Vor­schrift bzgl. der Höhe und Art der Teilschuldverschreibungen. Normaler­weise betrug ihr Stückwert 500 bis 1.000 fl.; jedoch gab es auch niederere; so hatte es bei der Anleihe für Fürst Paul Esterhazy (s. o.) Teilobliga­tionen in der Höhe von 40 fl. gegeben und diese Höhe hatte bereits das Bedenken der Lotteriegefälledirektion hervorgerufen. Als aber Graf Ester­hazy mit dem Wechselhaus Hammer und Kar is sein Anlehen kontrahierte und dabei Teilobligationen zu 10 fl. ausgegeben werden sollten, protestierte der Lotteriegefälledirektor Hofrat Spaun diesmal in schärfster Form da­gegen70). Natürlich bemühten sich die Anleihewerber wieder ihren Stand­punkt darzulegen und hatten bei der Hofkammer insofern Erfolg, da diese zugab, daß „die gegenwärtige Zeit allerdings zu den schwierigsten gehört, um eine Summe von einer Million — wenn auch zu einem für eine ganze Gegend nützlichen Unternehmen — im Privatwege aufzubringen“ 71). Auch die Oberste Justizstelle brachte auf Grund eines Gutachtens des juridischen Censors, Regierungsrates und Professors, Ritter v. Winiwarter ihre Be­denken gegen die Form vor; diese wurden berücksichtigt und nachdem die Teilobligationen auf 20 fl. erhöht worden waren, wurde schließlich diese Anleihe genehmigt72). Infolge dieser Probleme, die nun von verschiedenen Seiten beleuchtet wurden, wurden auch die Beratungen intensiviert, um zu einer gesetzlichen Festlegung dieser Anleihen zu gelangen; aber im Vormärz kam nur das Hofkammerdekret vom 17. 12. 1847 zustande (s. u.). Denn die Materie wurde bei näherer Betrachtung immer schwieriger und ließ sich nicht durch das Einzelgesetz regeln, sondern konnte erst später (1862) durch das Handelsgesetzbuch gelöst werden. Bei der Behandlung einiger Zahlungsschwierigkeiten, die bei ausgege­benen Privatanleihen eingetreten waren, traten bedenkliche rechtliche Män­gel zutage. So hatte der Fürst Anton Grassalkovich in den Jahren 1819—- 1825 bei Stametz ein Anlehen in der Höhe von 2 Millionen Gulden gegen Teilschuldverschreibungen abgeschlossen. Als die Erben dieses Fürsten mit 1. Juli 1826 die Kapitals- und Interessenzahlungen eingestellt hatten, wur­69) In einer längeren, derzeit noch ungedruckten Arbeit befasse ich mich ausführlich mit dem Aufschwung der Schafzucht in Österreich. 70) FA: 60 ex 1847. 71) FA: 4388 ex 1847. 72) FA: 9783 und 10305 ex 1847. Mitteilungen, Band 13 23

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