Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

352 Alois Brusatti mehren“ (Graf Waldstein zu demselben Anlehen), übrigens geht gerade aus dem Schriftverkehr über diese Anleihe der Schuldenstand des Wald- steinschen Herrschafts- und Güterkomplex hervor; er betrug für 6 Herr­schaften mit zahlreichen Dörfern und einzelnen Industriewerken usw. laut Landtafelextrakt 4,765.750 fl.88). Trotzdem ist der Graf bereit, noch zu­sätzlich 2,07 Millionen Gulden aufzunehmen, obwohl allein für diese An­leihe eine Gesamtlast an Rückzahlung und Zinsen von 5,206.870 (laut Tilgungsplan in 52 Jahren abzustatten) erwächst. Aber auch Banken fanden sich, die dem Grafen trotz der bereits bestehenden Hypothekarlast und der langen Tilgungsfrist diese Anleihe zu geben bereit waren; es waren dies allerdings die bedeutendsten Banken, nämlich Rothschild, Sina und Arn­stein & Eskeles. Und bei den gerade in Geldsachen vorsichtig wägenden Bankiers dürften bei dieser großen Summe Interventionen Metternichs keine so wesentliche Rolle gespielt haben. Für die Bankiers war es wahr­scheinlich wichtiger, daß der Graf Waldstein mit dem Geld eine neue Herr­schaft (Boros-Sebes bei Arad) zu kaufen beabsichtigte und damit eine gute Anlage erwerben wollte. Andererseits muß auch gesagt werden, daß es für die Adeligen nicht immer einfach war, Kapital zum Ausbau ihrer Güter und Einrichtungen oder zum Ankauf von Gütern usw. zu erhalten. Wie wir gesehen haben, war die hypothekarische Belastung meist schon recht groß und infolge der Bestimmungen des Fideikommiß konnte „nur die erste Hälfte des Guts­wertes“ belastet werden* 87). So konnte der Adelige sein Gut nicht stärker belasten, er mußte Geld aufnehmen, ohne dem Geldgeber dafür eine Hypo­thek bieten zu können. Es blieb für ihn nur der Weg eines Darlehens, das ohne Sicherstellung nur gegen sehr hohe Verzinsung zu erreichen war oder der Ausweg der „Privatanleihe“. Gerade der offizielle Charakter, den eine solche Anleihe durch die Teilschuldverschreibungen erhielt, bot dem Gläu­biger einen gewissen Schutz. Hier liegt der wesentliche Grund, warum von der „Privatanleihe“ fast nur der Adel Gebrauch machte. In der Zeit der großen Wirtschaftsausweitung, die um 1835 einsetzte, wollten und konnten die adeligen Großgrundbesitzer nicht zurückstehen und da sie nicht immer über genug bewegliches Kapital verfügten, so mußten sie irgendwo Kredit aufnehmen und für Graf Casimir Esterhazy gab es im Mai 1847 nach seinen Worten „nur durch die Verlosungsanleihe die Möglichkeit, für größere Industrialunternehmen Geld zu billigen Prei­sen zu bekommen“ 88). Er hatte nämlich die Absicht, sich in Kärnten anzu­kaufen, um dort eine Holzindustrie aufzubauen. Ähnliche Argumente führte Henckel-Donnersmarck (s. o.) an. Für den ungarischen Adel dürfte maß­88) FA: 7715 ex 1847. 87) VA: Hofkanzlei, V G 1; Protokoll über eine Sitzung der Hofkanzlei; das Datum der Sitzung befand sich auf einer inzwischen vernichteten Seite, doch dürfte die Sitzung im Sommer 1840 stattgefunden haben, es) FA: 4388 ex 1847.

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