Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

348 Alois Brusatti großes Aufsehen erregte, da Geymüller in den Zwanzigerjahren des 19. Jhs. denselben Nymbus des Reichtums hatte wie später das Bankhaus Rothschild. Zu welchen Zwecken diese großen Herrschaftsbesitzer das Geld brauch­ten, wird noch dargelegt werden. Aber es waren nicht nur Adelige allein, die Anleihen erhielten, wie dies bisher immer dargestellt worden war, son­dern es treten seit 1838 auch andere, z. B. Industrieunternehmungen als Anleihewerber auf. Von den Eigentümern des bei Waidhofen an der Ybbs gelegenen Bergwerk Hinterholz, Jakob und Auguste Kauffmann und ihres Gesellschafters Aloys Marchesani wurde bei einem Bankhaus — leider blieb der Name der Bank unauffindbar — eine Anleihe über 70.000 fl. zum Aus­bau des Betriebes aufgenommen, deren Teilschuldverschreibungen binnen acht Jahren auf dem Wege der Verlosung zurückgezahlt werden sollten 64); das ist mehr als ein reiner Darlehensvertrag, wie er damals sehr häufig geschlossen wurde; durch die Ausgabe von „Partialobligationen“, wie durch die Teilschuldverschreibungen und die besondere Art der Kapitals­tilgung und Verzinsung ist hier der Anleihecharakter gewahrt. Wie schon erwähnt, gab auch die österreichische Nationalbank ein ein­ziges Mal bis 1848 eine Privatanleihe; als durch eine Überschwemmungs­katastrophe verschiedene ungarische Städte, vor allem Pest, schwer ver­heert wurden, erteilte der Kaiser der Nationalbank die Anordnung, sie solle „mit einem billigen Darlehen den Unglücklichen“ helfen, nachdem schon der Staat unmittelbar eine Notstandshilfe gewährt hatte. Zum Wiederaufbau waren aber große Geldmittel notwendig und so war die Nationalbank bereit, den ungarischen Städten Pest, Ofen und Gran eine Anleihe in der Höhe von 3 Millionen zu gewähren. Es wurden zwar Obligationen aus- gegeben, die aber infolge ihrer geringen Verzinsung (2%) nicht viel An­klang finden sollten und hauptsächlich von Leuten gezeichnet wurden, die aus irgendeinem Grunde sich zu einer sozialen Tat verpflichtet fühlten. Die Nationalbank gewährte auch verschiedene Zahlungserleichterungen, es mußte aber die Finanzverwaltung als Bürge auftreten. Wegen dieser Dinge gingen die Verhandlungen zwischen Hofkammer, ungarischer Hofkanzlei und Nationalbank lange hin und her, sodaß die Stadt Pest, die rasch Geld brauchte, sich um ein kurzfristiges Darlehen bei Rothschild in der Höhe von 500.000 fl. bewerben mußte. Erst dann kam die Anleihe der National­bank zustande65). Dieses eine Mal, in dem die Nationalbank als Anleihegeber in Erschei­nung trat, war es nicht aus irgendeinem wirtschaftlichen Grund, sondern aus sozialen Momenten und mehr oder minder auf höheren Befehl hin. Es scheinen die Privatanleihen um diese Zeit nicht allzu oft ausgegeben worden zu sein; erst um 1842 belebte sich der Anleiheverkehr etwas. Es 54 55 54) 1482 ex 1838. 55) 1697, 2739, 3667, 3669 ex 1838.

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