Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)

BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz

Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz 349 dürften auch die Bankiers gar nicht imstande gewesen sein, sich allzusehr auf dem Sektor der Privatanleihen zu engagieren. Seit der Mitte der Drei­ßigerjahre hatten die Gründung und Ausbau der Verkehrseinrichtungen (Hochseeschiffahrt, wie der Triestiner Lloyd, die Donaudampfschiffahrts­gesellschaft, die Eisenbahnen usw.) in einer den Kapitalsmarkt sehr be­lastenden Weise begonnen. Alle diese Verkehrs unternehm ungen waren private Gründungen gewesen, während der Staat zwar förderte, aber doch abseits stand. Allerdings mußte der Staat später eingreifen: als der „Lloyd Austriaco“ 1838 dringend staatlicher Unterstützung bedurfte, half der Staat insofern, als er diesem Schiffahrtsunternehmen Post- und Fracht­privilegien im reichlichen Maße erteilte56). Gleichzeitig versuchte die Schiffahrtsgesellschaft eine Anleihe in der Höhe von 500.000 fl. zu erhalten; Rothschild war dazu bereit; doch da die Gesellschaft erklärte, sie könnte erst nach vier Jahren mit der Kapitals­rückzahlung beginnen, bestand Rothschild auf einer Staatsgarantie für die Rückzahlung. Hofkammerpräsident Eichhoff wehrte sich gegen dieses An­sinnen Rothschilds und erst nach einiger Zeit konnte diese Privatanleihe kontrahiert werden; dabei mußte der Staat eine, wenn auch beschränkte Bürgschaft eingehen; vor allem erhielt Rothschild ein Pfandrecht für die Schiffe des Lloyd 57). Ähnlich wie die Schiffahrt hatte auch der Ausbau der Eisenbahnen um 1840 einen toten Punkt zu überwinden; auch die Bahnen waren private Gründungen gewesen und auch sie waren gezwungen, sich Kapital zu beschaffen, teils dadurch, daß die Aktien aufgestockt wurden (s. u.) oder daß Anleihen aufgenommen wurden; wieder stand Rothschild im Vorder­grund. So mußte die „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ am 28. März 1841 eine Anleihe in der Höhe von 1,4 Millionen Gulden aufnehmen und 1844 mußte dieselbe Bahn noch einmal 5% Schuldverschreibungen für ein Dar­56) Unter anderem bemühte sich der Staat, die englische Indienpost über Triest zu leiten; vgl. „75 Jahre Triester Lloyd ...“, aber auch FA: 6707 und 6708 ex 1838). 5?) Dazu FA: 2000 und 4405 ex 1839; im Briefwechsel mit den Staats­stellen verstand es Salomon Rothschild immer sehr gut, seinen meist recht eigen­nützigen Handlungen den Anstrich der Uneigennützigkeit zu geben; so schreibt er an Hofkammerpräsident Eichhoff: „Der Inhalt E. E. Excellenz geneigten Erlasses vom 30. März ist mir ein schmerzlicher Beweis, daß die Lage der öster­reichischen Seedampfschiffahrtsgesellschaft nicht in der Größe gewürdigt wor­den ist, als es die von Seiner Majestät ausgesprochene, dem Lloyd bekannt­gewordene Mitteilung, daß die Unternehmung erhalten werden solle.“ Der Zu­sammenbruch, so heißt es weiter, wäre für den Staat ein schmerzhafter Verlust, während er, Rothschild, immerhin so stark sei, daß er den Verlust leicht über­winden könne. Das war aber nicht richtig, denn Rothschild war so stark am Lloyd interessiert, daß ein Zusammenbruch dieser Gesellschaft für ihn von bedenklichsten Folgen gewesen wäre; aber indem er Staatsinteresse vortäuschte, diente er nur seinen eigenen Interessen.

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