Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

NECK, Rudolf: Der Protest Franz Ferdinands gegen die ungarischen Verfassungsgarantien von 1907

436 Rudolf Neck Archivumschlag enthalten bloß die Bestimmung, daß das Kuvert nur im direkten Auftrag des Erzherzogs übergeben werden dürfe, aber keinen Hinweis auf den Inhalt. Auch aus der dabei liegenden eigenhändigen Wei­sung Ährenthals22) geht nicht hervor, wovon das Schriftstück handelt. Wie aus der Aufschrift und aus dem Hinweis auf ein 1945 vernichtetes Spezial-Protokoll des Archivs hervorgeht, dürfte das Dokument zunächst nicht in der Reihe der Familienurkunden hinterlegt worden sein, sondern in der eisernen Kasse der Archivdirektion. Hier wurden nur die ganz be­sonders sekretierten Stücke verwahrt. In die Familienurkunden kam das Dokument vermutlich erst nach dem ersten Weltkrieg, spätestens 1932/33 bei der Revision und Numerierung durch Reinöhl23). Sicher ist, daß es bis 1959 versiegelt blieb. In diesem Jahr wurden die Familienurkunden neu verpackt und bei dieser Gelegenheit der Umschlag geöffnet und festgestellt, daß es sich um den Protest gegen die Verfas­sungsgarantien handelt. Wenn diese Gesetze in der weiteren Entwicklung von 1908 an keineswegs die Rolle spielten, die man nach ihrem Ursprung hätte erwarten können, so betrachtete sie der Erzherzog doch noch nach Jahren als eine empfindliche, ärgerliche Schlappe24). Das Schriftstück als solches wirft ein sehr bezeichnendes Licht auf die Persönlichkeit Franz Ferdinands und läßt die Staatskrise ahnen, die dem Habsburgerreich ge­droht hätte, wenn er nach seiner Thronbesteigung an seinen Plänen fest­gehalten hätte. Anhang. I. 1908 Januar 8., Wien. Protest des Erzherzogs Franz Ferdinand gegen die Gewährung der ungarischen Verfassungsgarantien. (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien, Familienurkunden des habsburgisch-lothringischen Hausarchivs, Nr. 2926.) (Der Text ist mit der Maschine geschrieben, vom Datum an ist alles eigenhändig.) Zu wiederholten Malen wurden bei Seiner Majestät, meinem Allergnä­digsten Herrn, wie auch gegenüber Allerhöchstdessen Ministern, von mir, sowohl schriftlich als auch mündlich Vorstellungen und Bedenken gegen die Schaffung eines Gesetzes bezüglich der Verfassungs-Garantien in Un­garn erhoben und hiebei betont, daß ich dieses Gesetz geradezu als ein ganz besonderes Unglück betrachten und bezeichnen muß, da hiedurch dem Herrscher für die Verwaltung des Landes die Hände gebunden und dem­selben überhaupt alle Rechte genommen werden. An jene wiederholten Vorstellungen und Erklärungen anknüpfend, fühle ich mich im gegenwärtigen Momente verpflichtet, mittelst Gegenwärtigem zu erklären, daß ich jenes Gesetz als eine an Seiner Majestät, meinem Allergnädigsten Herrn begangene Erpressung anschaue und es, von mei­nem Standpunkte aus als nicht auf legalem Wege entstanden ansehe. 22) Anhang II. 23) Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 2. Bd., Wien 1937, S. 12. 24) Lammasch, a.' a. O.

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