Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

NECK, Rudolf: Der Protest Franz Ferdinands gegen die ungarischen Verfassungsgarantien von 1907

Protest Franz Ferdinands gegen die ungar. Verfassungsgarantien von 1907 433 Der Protest Franz Ferdinands gegen die ungarischen Verfassungsgarantien von 1907. Von Rudolf Neck (Wien). In der Geschichtsschreibung über die letzten Dezennien der Habsburger Monarchie nimmt die Persönlichkeit des Erzherzogs Franz Ferdinand eine eigentümliche Stellung ein. Er erweckt nicht nur durch sein tragisches und folgenschweres Ende und sein schweres persönliches Schicksal, seine Krank­heit, die Kämpfe und Demütigungen im Zusammenhang mit seiner Ehe Teilnahme und Interesse. Wegen seiner offenkundigen politischen Begabung gepaart mit einem zielstrebigen starken Willen, hat man in ihm oft einen durch die lange Lebenszeit Franz Josefs in seiner Entfaltung verhinderten Retter der alten Monarchie erblicken wollen. Über seine Regierungspläne hat während des letzten Krieges G. Franz eine ausführliche Untersuchung veröffentlicht1), die freilich in den letzten Jahren durch die erste wissen­schaftliche Biographie aus der Feder von R. Kiszling2) manche Korrek­turen erfahren mußte. Allerdings scheint mir dieses Werk die Gestalt des Erzherzogs doch zu positiv zu zeichnen, was zuletzt auch aus der vorzüg­lichen Monographie von Allmayer-Beck über den Ministerpräsidenten Beck deutlich genug hervorgeht3). Für die politische Haltung des Thronfolgers war sein gespanntes Ver­hältnis zu den Ungarn stets das bestimmende Moment. Eine wesentliche Phase dieses Gegensatzes wird durch die Frage der sogenannten Verfas­sungsgarantien gekennzeichnet4). In seiner Thronrede vor dem ungarischen Reichstage am 22. Mai 1906 hatte Franz Josef eine Ergänzung der Institutionen, welche die Garantien der konstitutionellen Ordnung bilden, zugesagt. Der damalige ungarische Innenminister, der jüngere Andrássy, hatte dazu einige Gesetzesentwürfe ausgearbeitet, die Maßnahmen zur Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Nation vorsahen. Im einzelnen handelte es sich dabei darum, das Schwergewicht von der Regierung auf die Komitate und königlichen Freistädte zu übertragen, also um eine Erweiterung der Kompetenzen der Munizipien und um die Beseitigung der Institution der königlichen Kom­missare sowie eine Erweiterung der Rechte des Verfassungsgerichtshofes dahingehend, daß er bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem nicht­parlamentarischen Kabinett und den Behörden zu entscheiden habe. Darüber hatte man sich schon in dem sogenannten Aprilpakt von 1906 prinzipiell geeinigt5). 1) Georg Franz, Erzherzog Franz Ferdinand und die Pläne zur Reform der Habsburger Monarchie (Südosteuropäische Arbeiten 35), Brünn 1943. 2) Rudolf Kiszling, Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este. Leben, Pläne und Wirken am Schicksalsweg der Donaumonarchie. Graz 1953. 3) Johann Christoph Allmayer-Beck, Ministerpräsident Baron Beck. Ein Staatsmann des alten Österreich. Wien 1956. 4) Vgl. dazu besonders Kiszling. a. a. 0., S. 105 ff. und Allmayer-Beck, a. a. O., S. 184 ff. 3) Kiszling, a. a. O., S. 88. Mitteilungen, Band 12 28

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