Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

NECK, Rudolf: Der Protest Franz Ferdinands gegen die ungarischen Verfassungsgarantien von 1907

434 Rudolf Neck Franz Ferdinand nahm sofort gegen diese Projekte scharf Stellung und es ist wohl nicht zuletzt seinem Widerstand zuzuschreiben, daß die Gesetz­entwürfe vorläufig auf dem Papier blieben. Als jedoch im Jahre 1907 die Verhandlungen über den neuen Ausgleich begannen* 8), wurde die Frage neuerlich von den Ungarn in die Debatte geworfen und alsbald zum Junk­tim mit verschiedenen wesentlichen Zugeständnissen seitens der östlichen Reichshälfte erhoben. Franz Ferdinand war darüber tief beunruhigt, ja bestürzt, da er nicht mit Unrecht vermutete, daß die Ungarn diese Entwürfe noch unbedingt zu Lebzeiten des alten Kaisers durchzusetzen versuchten, um von vorne- herein eine Lage zu schaffen, die bei einem Thronwechsel dem künftigen Herrscher bei allen Reformversuchen die Hände band. Auch eine lange Aussprache mit Andrássy, über die wir von diesem eine sehr aufschluß­reiche Aufzeichnung besitzen 0, und eine Modifizierung der ursprüng­lichen Vorlagen konnten die Sinnesart des Thronfolgers nicht ändern. Er versuchte vergeblich, seinen Onkel noch zu bewegen, die Frage durch eine Kommission unabhängiger und hervorragender Staatsmänner untersuchen zu lassen, da es sich um eine Angelegenheit der Gesamtmonarchie han­delte8). Als trotz allem Widerstand die Gesetze im Oktober 1907 doch die Vorsanktion Franz Josefs erhielten, was in der ungarischen Presse als nationaler Erfolg gefeiert wurde9), entschloß sich der Erzherzog zu einem formellen Protest. Er hatte schon vorher gegenüber Andrássy, Ährenthal und Beck ange­kündigt, daß er im Falle der allerhöchsten Genehmigung der Garantie­gesetze dagegen in geeigneter Form eine Verwahrung auf setzen, vor Zeu­gen unterfertigen und an geeigneter Stelle hinterlegen werde10). Der Ge­danke eines geheimen Protestes gegen die Regierungsmaßnahmen seines kaiserlichen Oheims war dem Erzherzog nicht neu. Wie er selbst Andrássy erzählte11), hatte schon sein Vater Erzherzog Karl Ludwig eine ähnliche Rechtsverwahrung gegen den Ausgleich im Jahre 1867 erwogen, der sich sämtliche Erzherzoge anschließen sollten. Dieser Plan sei jedoch damals am Widerstand des Erzherzogs Rainer gescheitert. Franz Ferdinand selbst hat später — im Oktober 1911 — gegen die Änderung des Titels „Reichs­®) Über diese Ausgleichsverhandlungen vgl. Rudolf Sieghart, Die letzten Jahrzehnte einer Großmacht, Menschen, Völker, Probleme des Habsburger- Reiches. Berlin 1932, S. 106 ff. Alexander Spitzmüller, „ ... und hat auch Ursach, es zu lieben.“ Wien 1953, S. 57 ff. Kiszling, a. a. O., S. 100 ff. Allmayer-Beck, a. a. O., S. 162 ff. ') Franz, a. a. O., S. 58 und Anm. 257. Das Gespräch mit Andrássy, auf das sich Franz Ferdinand gegenüber Lammasch etwa Ende 1910 bezog (Heinrich Lammasch, Erzherzog Franz Ferdinand in: Heinrich Lammasch. Seine Aufzeich­nungen, sein Wirken und seine Politik, herausgegeben von Marga Lammasch und Hans Sperl, Wien 1922, S. 81), dürfte zu einem späteren Zeitpunkt, als die An­gelegenheit schon weitgehend entschieden war, stattgefunden haben. Vgl. All­mayer Beck, a. a. O., S. 189 f. 8) Egon Caesar Conte Corti-Hans Sokol, Der alte Kaiser. Franz Joseph I. vom Berliner Kongreß bis zu seinem Tode, Graz 1955, S. 318. 9) Allmayer-Beck, a. a. O., S. 185. 10) Franz, a. a. O., S. 58 f., Kiszling, a. a. O., S. 107 ff., Allmayer-Beck, a. a. O., S. 187. 11) Franz, a. a. O.

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