Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
360 Friedrich Roemheld An diesem Tage und am folgenden waren uns etwa 200 Bettler begegnet, ... die dem Stande nach meistens Geistliche ... von Gondar waren. Sie kamen von Debr Eski zurück, wo der Fürst Ubie ein kirchliches und politisches Fest gegeben und jene Bettler ziemlich reich beschenkt hatte, damit des „großen Ubie“ Name auch in der Hauptstadt von ganz Abessinien gebührend verherrlicht werde.“ Das Reiseziel des Tages, das nach Sonnenuntergang nach achtstündigem Marsch erreicht wurde, war das Dorf Tschembelga. Nach Konstantins Angaben liegt es „etwa 2y2 Stunden von dem in nordwestlicher Richtung fließenden, wahrscheinlich in den Takasse sich ergießenden An- gareb.“ Hier bereiteten die Einwohner den Fremden denselben unfreundlichen Empfang wie am Tage zuvor die Leute in Isak Dewr. Ein Offizier des Fürsten Gongul, der mit einigen Soldaten im Dorfe lag, verlangte sogar, sie sollten ihr Gepäck wieder aufladen und ihre Reise nach der nächsten Ortschaft fortsetzen. Aber Reitz ließ sich nicht einschüchtern. „Als ich mich weigerte“, schreibt er, „kam der Chef mit mehreren Soldaten ganz nahe an mich heran, wiederholte mit Ungestüm seine Aufforderung, uns zu entfernen. Ich antwortete nicht sogleich, da ich im Begriffe stand, einen alten Mann gegen gute Belohnung zum Herbeischaffen von Holz, Wasser, Milch und Brot für uns zu gewinnen. Als der Chef aber einen gewaltigen Streit mit unsern Leuten begann, so nahm ich ein Gewehr zur Hand und bedeutete ihm, daß ich ihm auf den Kopf zielen werde, wenn er uns nicht in Ruhe ließe. Er entfernte sich, kehrte aber nach 10 Minuten mit mehreren Leuten zurück, um mit mir zu rechten, weil ich ihn mit der Flinte bedroht. Ich hatte unterdessen den alten Mann und einige Knaben engagiert, die gerade mit den verlangten Gegenständen ankamen. Ich machte nun dem Chef den Unterschied zwischen seinem Betragen und dem seiner Landsleute anschaulich. Dann forderte ich ihn auf, sich augenblicklich zurückzuziehen, denn sonst würde ich mit der Flinte nicht mehr drohen, sondern ihn kurzweg über den Haufen schießen. Nun hatte der Schlingel Respekt, er zog sich zurück und schickte Milch und Brot, um sich nun mit mir zu versöhnen, resp. den Anlaß zur Erhaschung eines Geschenks zu geben. Er irrte sich jedoch in seiner Berechnung in Bezug auf das Geschenk, dagegen wurden der alte Mann und die Knaben desto reichlicher mit großen böhmischen Glasperlen bedacht. Am nächsten Morgen fand er sich vor Sonnenaufgang ein, blieb aber in ehrerbietiger Entfernung von etwa 80 Schritten auf einem Felsen sitzen und rief uns bei der Abreise seine Grüße nach, die ich recht freundlich erwiderte.“ Dieser Vorfall zeigte, in welch mißlicher Lage sich Reitz befand, weil er seine Reise ohne die Begleitung von Soldaten des Fürsten zurücklegen mußte. Zwar hatte Matsch Gongul den Befehl Ubies, seines Vaters, für die Sicherheit und Bequemlichkeit der Reisenden zu sorgen, wenigstens insoweit ausgeführt, als er ihnen einen Soldaten bis Isak Dewr entgegengeschickt hatte mit dem Auftrag, dort die Ankunft der Fremden von Gon-