Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
Konstantin Reitz 359 Bewachung des Gepäcks zurückgelassen. Der Weg ging in nordöstlicher Richtung; er zeigte Spuren von früherer Anlage. Er brachte die Reisenden zunächst an den Fluß Magetsch, der in den Tanasee mündet. Eine noch gut erhaltene, durch drei mächtige Bogen gestützte, einst von den Portugiesen erbaute Brücke führte hinüber. Die ganze bergige Gegend ungefähr drei Stunden von Gondar bis nach Woggara hin heißt Bambulo. Sie galt als Grenze zwischen den Besitzungen Ubies und Kasas und war von den Gamanten bewohnt, die weder Christen noch Juden noch Mohammedaner waren und weder an Ubie noch an Kasa Steuern zahlten. Dieser freiheitliebende räuberische Stamm machte die Straße derart unsicher, daß sie nach Gondar hin nur am Freitag, dem Vortag des Marktes, und nach Woggara zu nur montags von Marktbesuchern benutzt wurde, denen sich dann die Reisenden, Boten und Bettler anschlossen. Hinter Bambulo ging der Weg allmählich zur Hochfläche von Woggara, der Provinz des Fürsten Matsch Gongul, hinauf, einer zwar fruchtbaren, aber baumlosen und wenig bewohnten Gegend, durchzogen von niedrigen Hügelreihen und zerrissen von tiefen Schluchten, die zu durchqueren oft recht schwierig und zeitraubend war. Sechs Stunden nach dem Aufbruch von Gondar kam die kleine Karawane in IsakDewr an. Schimpers Diener waren etwas vorausgeeilt, um Brot und Unterkunft für die Nacht zu besorgen. Sie waren auch mit günstigen Berichten zurückgekommen, trotzdem nahm niemand im Dorfe die Fremden auf, und so mußten sie die Nacht bei sehr empfindlicher Kälte in der Nähe des Ortes im Freien zubringen. Am 3. Februar ging die Reise über die Hochebene von Woggara weiter. Sie war hie und da mit Getreide angepflanzt, namentlich mit Gerste, die aber der europäischen an Güte nicht gleichkam. Viele Euphorbien und oben ganz flache Mimosenbäume, die durch ihre Ähnlichkeit mit Pinien an manche Landschaften in Mittel- und Unteritalien erinnerten, nahmen der Gegend etwas von ihrer nur durch Hügel unterbrochenen Einförmigkeit. „Die Bäume und Sträucher dieses Hochlandes“, schreibt Reitz, „sind mit Moosarten bewachsen. Der Mangel an Kultur tritt überall unverkennbar hervor, und die eine unendliche Kraft in sich tragende Natur scheint darum nicht freigebiger die Gebirge zu umblühen, weil sie die sie nicht verstehenden und nicht verstehen wollenden, zum Abscheu indolenten Bewohner nicht würdig hält, sich ihnen im Prachtgewand zu zeigen. Denn außer einigem Getreide für den dringendsten Bedarf kultivieren dieselben nichts. Daher strecken die fruchtbaren Berge ihre kahlen Gipfel traurig in die Luft. Überall gedeihen Bäume in üppiger Fülle, wenn man sie nur anpflanzt. Den augenscheinlichsten Beweis hiervon liefern die Umgebungen der Kirchen auf den höchsten Gipfeln, deren herrliche Baumgruppen, mit ihrem tiefen Grün aus den fahlen Steppen sich erhebend, auf viele Stunden weit dem Wanderer entgegenlachen wie lebenerfüllte Oasen ...