Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
358 Friedrich Roemheld gäbe des hauptsächlichsten Inhalts eines jeden. Der beauftragte Mönch ließ einen halben Tag auf sich warten, weil der Etschegé ein Fest gab, bei dem die abessinische Geistlichkeit von Gondar sich durch geistige Getränke in einen Zustand versetzte, der sehr unwürdige Auftritte auf der Straße im Gefolge hatte. Selbst halb nackte Knaben taumelten in diesem Zustande in den Gassen des politischen Heiligtums umher. Der noch bei halber Besinnung sich befindende Mönch überzeugte sich von der Existenz der Kollis und verfügte sich, nachdem ich ihn bewirtet und ihm ein angemessenes Geschenk bei meiner Rückkunft versprochen hatte, zurück in die Wohnung seines Meisters. Ich ließ die Effekten in das dafür bestimmte Lokal bringen und hielt diese Angelegenheit endlich für abgemacht und schickte mich an, sogleich meine Reise anzutreten. Allein der Mönch kehrte zurück und kündigte an, sein Chef bestünde darauf, daß ich alle Kollis, zirka 20 Stück, in seiner Gegenwart öffne und den Inhalt derselben bis in die kleinsten Details inventarisieren ließe, damit einesteils er sich von der Existenz der einzelnen Stücke überzeuge, und andernteils ich nach meiner Rückkehr nicht mehr Stücke reklamierte, als ich wirklich konsigniert. Als ich, über dieses Mißtrauen indigniert, den Mönch hart anging und Miene machte, ihn vor das Hoftor expedieren zu lassen, entschuldigte er den Argwohn seines Chefs damit, daß derselbe im verflossenen Jahre mit einem Kopten aus Ägypten Streitigkeiten gehabt habe bei der Rückerstattung der ebenfalls ohne Inventar zur Aufnahme übernommenen Effekten, und fügte versöhnend hinzu, daß der Etschegé auf das spezifizierte Verzeichnis verzichten würde, wenn ich ihm einen roten Mantel, den man bei mir gesehen, noch vor meiner Abreise überschickte. Statt diese gemeine Bettelei eines Mannes, der weiß, wieviel ich in Khartum aus reiner Philanthropie für seine Landsleute geopfert, zu befriedigen, ließ ich die Effekten augenblicks zurückholen, mauerte diese in einem Winkel unserer Wohnung mit großen Steinen ein, damit sie vor Feuer einigermaßen gesichert seien, und empfahl das Ganze dem Schutz Gottes, denn die demoralisierten Menschen in Gondar gewähren keinen Schutz.“ Am 30. Januar waren zwei Boten von Dr. Schimper aus Semien gekommen mit der Nachricht, Ubie habe seinem Sohn, dem Fürsten Matsch Gongul, Statthalter von Woggara, den schriftlichen Befehl erteilt, Reitz zu ihm nach Debr Eski führen zu lassen. Am 2. Februar gegen 10 Uhr morgens wurde die Reise angetreten, nachdem Heuglin noch im Nachbarhause einen großen Leoparden geschossen hatte, der sich während der Nacht in die Stadt verirrt hatte. Ein Maultier und ein Esel trugen die ganzen Habseligkeiten der Reisenden. Reitz, Heuglin und der abessinische Dolmetscher Gabriel, der die Reisenden begleitete, hatten jeder ein Maultier und ein Pferd zum Reiten mit. Schimpers Boten dienten ihnen als Führer, Jussuf und die sudanesischen Diener wurden bis auf den Kameltreiber Tom und Heuglins Jäger Muhammed in Gondar zur