Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika

Konstantin Reitz 357 machen, fällt oft sehr plump und komisch aus und ist nichts weniger als geeignet, den gewünschten Effekt hervorzubringen. Die Etikette beim Empfange im Hofraum erfordert, daß eine ansehn­liche Menge Diener sich einfindet, welche der Türsteher beständig auf­fordert, Platz zu machen. Der gute Ton verlangt aber, daß dieselben der Aufforderung kein Gehör schenken, sondern sich nur noch mehr heran­drängen. Nachdem der Fremde glücklich zur Tür des Empfangstoguls ge­langt ist, die zugleich das einzige Fenster ausmacht, schlüpft er unter dem etwas beiseite gezogenen Vorhang in das durch eine Lampe spärlich erleuchtete Gemach. Mit Mühe entdeckt sein aus der Tageshelle plötzlich in die Dunkelheit versetztes und von der Lampe und dem Feuer geblendetes Auge das Angareb, auf dem der Herr des Hauses in vornehm nachlässiger Lage ruht, in der sich die ganze Größe seines angeborenen Geistes- und Seelenadels unverkennbar abspiegeln soll. Er erhebt sich nicht, begrüßt durch eine leise Bewegung mit dem Arm den Fremden und ladet ihn zum Niedersitzen auf einem auf der Erde ausgebreiteten Felle oder, wenn er sehr reich ist, Teppiche ein. Dann richtet er zum Zeichen seines ganz be­sonderen Wohlwollens sich etwas auf, hält seine Hand unter der Schamma (Obergewand), die ihm Kinn und Mund bis zur Nase bedeckt, redet fast nichts und läßt vielmehr durch einen Stellvertreter die Unterhaltung füh­ren. Daran tut er nun meistens sehr gescheit, denn Dummheit würde massenhaft zu Tage kommen, wenn er selbst spräche. Ein vornehmer Abes­sinier hält es nämlich für die größte Schande, etwas zu arbeiten. Darum lernt er nichts und deshalb weiß er nichts. Auch die Diener mischen sich stets unaufgefordert in die Unterhaltung, aber weder der Herr noch der Stellvertreter untersagt ihnen dies, darum ist der Fremde, der sich nicht in den Lärm mit hineinmischen will, genötigt, selbst Silentium aufzuerle­gen, was ihm gar nicht übelgenommen wird. Der Etschegé empfing uns in einem Winkel seines innersten Toguls, nachdem wir mehrere andere Toguls durchwandert, die uns von seinem Reichtum und seiner Größe einen Vorgeschmack geben sollten. Er ruhte auf dem Angareb und lud uns ein, auf dem auf der Erde ausgebreiteten Teppich Platz zu nehmen. Ich bemerkte ihm, daß es nicht unsere Sitte sei, auf der Erde zu sitzen, und er möge uns Sitze geben, wie er einen habe, denn auch wir seien vermöge unseres Ranges berechtigt, hoch zu sitzen. Sogleich wurden erhöhte Sitze für Herrn Heuglin und mich zu­rechtgemacht, und die Unterhaltung begann. Im Laufe derselben stellte ich ihm meine Verlegenheit wegen der Unterbringung unserer Effekten mit der Bitte vor, dieselben während unserer Abwesenheit in einem seiner Häuser an einem feuerfesten Ort aufzubewahren. Er erklärte nach einigen Einwürfen sich hierzu bereit und beauftragte einen seiner Mönche, die­selben in Empfang zu nehmen. Am 1. Februar überschickte ich ihm ein in der Amharasprache geschriebenes Verzeichnis der verschiedenen teils verschlossenen, teils mit Stricken gut eingebundenen Kollis mit An­

Next

/
Thumbnails
Contents