Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika

352 Friedrich Roemheld ihm mitgebracht hatte: ein Pferd, vier Flinten, Säbel, Pulver, Blei, Kap­seln usw. Kasa, der nun fast ständig um seine Gäste war, unterhielt sich viel mit ihnen über europäische Verhältnisse, machte alle möglichen Pläne, sich Arbeiter und Werkzeuge aus Europa kommen zu lassen oder eigene Leute zur Erlernung verschiedener Handwerke dorthin zu schicken. Am meisten beschäftigte ihn das europäische Kriegswesen. Waffen- und Pulver­fabrikation, Kanonen und Kriegsschiffe erregten seine Wißbegierde ganz besonders. Seine Untertanen schien er gut zu behandeln. Er liebte Pracht und Lärm und war ein tapferer Kämpe in der Feldschlacht wie beim Becher. Den Hauptzweck seiner Reise konnte Reitz zunächst allerdings nicht erreichen. Die kriegerischen Unruhen, unter denen das Land litt, waren für Anknüpfung von Handelsbeziehungen wenig günstig, und so glaubte er vorläufig dem europäischen Kaufmann von größeren Unternehmungen abraten zu müssen. „Solange jene unglücklichen, allen Wohlstand und Ver­kehr untergrabenden politischen Zustände nicht geregelt sind“, schreibt er in seinem Bericht, „möchte ich unseren Industriellen nicht raten, bedeu­tendere Unternehmungen hierher zu riskieren. Ich bin übrigens fest über­zeugt, daß in einer günstigeren Periode in diesem von der Natur so groß­mütig ausgestatteten Lande sehr gute Geschäfte zu machen sind ... Aber“, fügt er hinzu, und das scheint bezeichnend für seine Wesensart, „alsdann wird es für unsere Unternehmer von Wichtigkeit sein, nur Agenten zu schicken, die mehr aus Patriotismus und aus Neigung als aus schnöder Gewinnsucht hierher gehen. Nur durch solche, die mit Leib und Seele für die Sache arbeiten, kann unseren Produkten Eingang, respektive Ver­breitung in Abessinien verschafft und ein bleibender, sicherer Gewinn für unsere Industrie in Aussicht gestellt werden.“ Von Genda aus machten die Reisenden verschiedene Jagdausflüge, be­suchten benachbarte Kirchen und drangen bis Gorgora am Tanasee vor. Am 16. Januar zogen sie weiter, nachdem Kasa ihnen noch vier gesattelte und gezäumte Maultiere geschenkt und einige Offiziere als Führer mit­gegeben hatte. Ihr Gepäck ließ der Fürst unter starker Bedeckung nach Gondar, dem nächsten Reiseziel, schaffen. Gondar galt als die Hauptstadt Abessiniens. Sie war bis dahin die Residenz des Ras Ali, der seiner Stel­lung nach immer noch als der eigentliche Nachfolger des letzten abessini- schen Kaisers galt. Allein er hatte sich nach der Niederlage seines Günst- lings Buru Goschu am Tanasee in seiner Bergfestung nicht mehr sicher gefühlt, da Kasas neu erobertes Machtgebiet jetzt bis an seine Grenzen heranreichte, hatte Gondar seinem Schicksal überlassen und seinen Wohn­sitz in Debra Tabor in den Gebirgen von Begemeder östlich vom Tanasee aufgeschlagen. Von dort aus war er dann nach Godscham, südlich vom Tanasee, in die Stadt Bitschaena übergesiedelt. Wahrscheinlich hatte Reitz noch keine Nachricht von seiner Flucht erhalten und wollte ihn in Gondar besuchen. Vielleicht hatte er sich aber auch von vornherein mit dem Ge-

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