Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
350 Friedrich Roemheld tiefen Abgründen entlang oder über abschüssige Felsplatten, so daß das Vorwärtskommen für die Kamele an vielen Stellen recht gefährlich war. In der Nacht wurde ein großes Feuer angezündet, um Raubtiere fernzuhalten, und ein aus dem letzten Dorfe mitgebrachter Ochse geschlachtet. Als sich die Reisegesellschaft um die lodernden Flammen gelagert hatte, erzählte der Karawanenführer Scheich Kanfur „mit schmerzlicher Erinnerung an die schöne Vergangenheit rührende Raubund Mordgeschichten, die er in seiner Jugend als Räuberhauptmann mit neun Genossen in jener Gegend ausgeführt, bis er ... gefangen genommen worden ... Sein Raubsinn schien noch nicht ganz erloschen zu sein, denn er hatte in Gallabat an mehreren Orten den Tagruri (Bewohnern der Provinz) Ziegen weggenommen und dann für die Rückerstattung derselben einige Piaster Lösegeld verlangt, das ich an zwei verschiedenen Orten den armen Einwohnern zur Ablösung ihrer Ziegen von Kanfur zu schenken mich genötigt sah, um skandalösen Szenen vorzubeugen, welche sich durch Lanzenstiche zwischen Kanfurs Leuten und den Tagruris zu äußern drohten.“ Am 5. Januar kamen die Reisenden in dem von abessinischen Christen bewohnten Marktflecken Wakne an. Hier erreichte sie am 8. Januar ein Bote von Kasa mit zwei für sie bestimmten Maultieren und mit der mündlichen Nachricht, daß sie seinem Herrn willkommen seien. Die Kamele, die ohnehin in den letzten Tagen sehr gelitten hatten und in der gebirgigen Landschaft nicht mehr zu gebrauchen waren, wurden mit den Sammlungen und allem überflüssigen Gepäck zurückgeschickt und 12 Maulesel und Esel gemietet. Das Gebirge nahm ein immer wilderes Aussehen an. Auf bodenlosen Wegen, durch Buschwerk, über Felsblöcke und an jähen Abgründen hin, bergauf und bergab ging die Reise in glühender Sonnenhitze weiter und dann von den höchsten Höhen des Gebirges hinab nach dem wichtigen Marktflecken T s c h e 1 g a. Er wurde am 11. Januar erreicht. Dort hatte der Häuptling der Gegend, Letsch Taju, bereits eine Wohnung für die Reisenden zurichten lassen, schickte ihnen auch Schlachtvieh und stattete ihnen selbst mit seinem Gefolge einen Besuch ab, wobei tüchtig getrunken wurde. Abends ließ er den Fremden von seiner Leibwache eine schauerlich klingende Nachtmusik auf geraden Hörnern von 4—5 Fuß Länge aufführen. „Von Takt und Harmonie ist natürlich bei solchen musikalischen Produktionen nicht die Rede, aber jeder Musikus wetteifert mit den andern an Anstrengung seines gut konstruierten Blasebalges.“ (Heuglin). Da die Reisenden in Tschelga erfuhren, daß Kasa sich ganz in der Nähe, in Genda, befinde und sie erwarte, zogen sie am 12. Januar weiter und erreichten nach ein paar Stunden eine größere Kirche, wo sie Kasas Hofstaat, etwa 50 mit Luntenflinten bewaffnete Gallas, und eine Feldmusik erwartete. Sie führten reich geschirrte Maultiere mit, deren unbequeme Sättel die Fremden wohl oder übel besteigen mußten. „Unter Musik und Flintenschüssen der Gallas“, so fährt Heuglin in seinem Berichte fort,