Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
348 Friedrich Roemheld Der Ausgang der Kämpfe am Tanasee und die durch die inneren Wirren verursachte Unsicherheit des Landes konnte nun nicht ohne Einfluß auf die Reise unserer Karawane bleiben. Die Frage war, ob man durch die Provinz Gallabat ziehen könne oder nicht. Diese Provinz, auf der Grenze zwischen dem ägyptischen Gebiet und Abessinien gelegen, bestand als eigener Staat schon lange vor der Besetzung des Sudans durch die Türken. Der Scheich (Häuptling) von Gallabat, Ibrahim el Welkil, war dem Namen nach unabhängig, bezahlte aber jährliche Abgaben sowohl an die türkische Regierung als auch an Kasa, der das Land als sein Eigentum ansah. Ras Alis Gesandte wollten daher auf keinen Fall durch dieses Gebiet ziehen, und Omer-Bei schien sich auf ihre Seite zu neigen. Er beschloß, einen Boten zu Ali zu senden, um sich über die Verhältnisse zu unterrichten, während Reitz Botschaft an Kasa und an Ibrahim schickte und ihnen den Zweck seiner Reise mitteilte. Jedenfalls wollte man die Ankunft der Antwort in Doka abwarten, da man nach den verschiedenartigen, täglich neu ankom- menden Gerüchten, von denen eins dem andern widersprach, keinen sichern Entschluß fassen konnte. In die Zeit dieses unfreiwilligen Aufenthaltes fiel das Weihnachtsfest. „Den heiligen Christabend“, schreibt Heuglin, „feierten wir bei einer Flasche Steirerwein in einer miserablen Rekuba (Strohhütte). Später wurde sogar noch ein Punsch präpariert, und wenn auch unsere Rhinozerosbecher nicht so freundlich klangen als die Gläser am heimatlichen Herde, so gaits nichtsdestoweniger herzlich den fernen Lieben und Freunden und dem schönen Vaterlande“. Die nächsten Tage verbrachten die Reisenden mit Schreiben und Abschreiben von Berichten, in Ermangelung von Tisch und Stuhl auf Kamelsätteln sitzend, sowie mit kleineren Ausflügen in die Umgebung, ein Hügelland vulkanischen Ursprungs, dessen Schönheit einen tiefen Eindruck auf die Forscher machte: „Ausgezeichnet schön sind namentlich die Abende in den kleinen grünen Gebirgstälchen um Doka. Kühle Nord- und Nordostwinde erfrischen nach schwülen Tagen die Gegend. Aus den Schluchten steigt der Nebel, der die vom letzten Sonnengold geröteten Felskämme in den feurigsten Tinten erscheinen läßt. Aus allen Ecken und Enden erschallt tausendstimmiger Gesang . .. der gefiederten Welt ... Schüchtern streckt ein Erdeichhörnchen das muntere Köpfchen aus einem Felsenloch und eilt, wenn es sich sicher glaubt, in weiten Sprüngen die Chors (Flußtäler) entlang. Nachtschwalben beginnen ihre Jagd im klaren Mondenschein, lautlos daherziehend und mit jeder raschen Wendung sicher eine Beute erhaschend, noch lange nachdem die letzte Strophe der Freunde des Tageslichts verklungen. Jetzt eilt auch die Gazelle zum Brunnen, der sie tränkt, und nur Hyäne und Ichneumon streifen noch durch Busch und Feld, mit grünleuchtenden Augen einen Schläfer zu erspähen oder sich mit den Resten eines gefallenen Tieres den unersättlichen Magen anzufüllen, bis die Morgenröte sie in ihre finsteren Winkel bannt.“