Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika

Konstantin Reitz 343 siniens fühlte und in Kasa nur den Empörer gegen seine Machtstellung sah, dem verhaßten Emporkömmling seine Provinzen Gallabat, Dembea und Tschelga an der Ostgrenze des Sudans ab und übergab sie einem getreuen Gefolgsmann, dem Fürsten Buru Goschu von Godscham (1850). Kasa trat ihm alsbald mit Waffengewalt entgegen, und es entspann sich ein neuer Krieg, der sich eine Zeitlang hinzog, ohne daß eine Entschei­dung herbeigeführt wurde. So lagen die Dinge, als Konstantin Reitz sich zu seiner Reise in das Innere des Landes anschickte. Ras Ali hatte seine Ansprüche auf die Ober­herrschaft, die ihm von Kasa streitig gemacht wurden, noch keineswegs aufgegeben und hegte immer noch die Hoffnung, seinen Widersacher namentlich durch die Tatkraft Buru Gosehus endgültig niederzuringen. Im Osten und Norden herrschte noch Ubie, bis dahin anscheinend ziemlich unangefochten, allein es war vorauszusehen, daß, sobald die Entscheidung zwischen Ras Ali und Kasa endgültig gefallen war, der Sieger früher oder später auch ihn zur Anerkennung seiner Machtstellung zwingen werde. Solange die Dinge noch in der Schwebe waren, mußte Reitz versuchen, mit jedem der drei Machthaber Beziehungen anzuknüpfen. Schon ehe ei­serne Reise antrat, bemühte er sich, Fühlung mit ihnen aufzunehmen, um später nicht als ein völlig Unbekannter vor sie hintreten zu müssen. Eine Gelegenheit dazu bot sich ihm, als er Nachricht von gewissen Spannungen erhielt, die in Adua, der Hauptstadt Ubies, in der Provinz Tigre, zwischen katholischen Missionaren und dem Oberhaupte der einheimischen Kirche bestanden. Die Abessinier bekennen sich zum großen Teil zum Christentum und gehören der koptischen Kirche an. Die Kopten sind die christlichen Nach­kommen der alten Ägypter, das Oberhaupt ihrer Kirche, der koptische Patriarch in Alexandria, hatte damals seinen Sitz in Kairo. Am nächsten im Rang steht ihm der Bischof (Abuna) von Abessinien, dessen Würde aber keinem Abessinier, sondern nur einem Kopten zugänglich ist. Er hat allein das Recht, Priester einzusetzen, entscheidet aber in anderen kirch­lichen und theologischen Fragen gemeinsam mit dem Etschegé, dem Ober­haupt der Mönche. Seit 1841 hatte das Bischofsamt der um 1815 geborene Abuna Salama inne. Dieser lag in heftigem Streit mit den katholischen Missionaren, die damals eine große Rolle in Ubies Hauptstadt Adua spielten und namentlich den alten Ubie ganz für sich gewonnen hatten. Sie versuchten, den Abuna Salama zu verdrängen, und dieser sah seine Macht von Tag zu Tag mehr geschmälert. Konstantin Reitz mußte natür­lich diese Streitigkeiten im Lichte der ihm aus Abessinien zugekommenen Briefe und Berichte als Verfolgungen der christlichen Sendboten durch die koptische Geistlichkeit ansehen, und da den Missionaren wohl auch ander­wärts Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden, so wandte er sich brief­lich an Ubie, Ras Ali und Kasa, empfahl die christlichen Sendboten ihrem

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