Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
342 Friedrich Roemheld von den Arabern des Hauptstammes Abu Dschin Steuern einforderte, während Halid-Pascha auf einer Ghasua52) oberhalb Sennar sich befand. Kasa hatte mehrere Luntenflinten mit sich. Sein Hauptangriff geschah aber mit Lanzen gegen die in einem Dornverhau am Ufer des Rahad verschanzten türkischen Fußsoldaten ... Diese aus zirka 600 Mann bestehenden türkischen Truppen unterhielten ein fünfstündiges Musketenfeuer gegen die in mehrfach erneuten Angriffen hartnäckig herandrängenden Abessinier, bis einige Artilleriegeschütze von Sennar ihnen zu Hilfe kamen. Ein glücklicher Kanonenschuß traf die Stange des Zeltes, in welchem sich der abessinische Eroberer befand, und tötete zugleich einen Diener und ein Pferd. Mehrere Stückschüsse setzten die Abessinier in Verwirrung, und sie flohen Hals über Kopf mit Zurücklassung von mehr als 1000 Toten, während die Türken nur acht Mann verloren hatten. Seit dieser Zeit hat Kasa seine Eroberungsgelüste in Bezug auf den Sudan nicht mehr zu verwirklichen gesucht.“ Welche von den beiden Darstellungen der Ereignisse die richtige ist, steht dahin. Doch sei noch einmal darauf hingewiesen, daß sich Reitz für seine Schilderung auf zahlreiche, ihm persönlich bekannte Augenzeugen beruft. — Kasa war in dem Gefecht am Rahad an der Schulter verwundet worden und hatte sich nur mit Mühe durch die Flucht retten können. Die Niederlage des gefürchteten Emporkömmlings kam niemand gelegener als der Woisero Menin, seiner Lehensherrin. Sie suchte sofort die Gelegenheit zu benutzen, um ihn für immer kaltzustellen, und erklärte ihn seines Lehens verlustig. Aber sie hatte nicht mit seiner Zähigkeit, seiner Tatkraft und seinem brennenden Ehrgeiz gerechnet. In ziemlich kurzer Zeit gelang es ihm, sich wieder aufzuraffen und ein neues Heer zu sammeln, mit dem er die Woisero besiegte und gefangennahm. Nun knüpfte Ras Ali, ihr Sohn, Verhandlungen mit Kasa, seinem Schwiegersöhne, an und erlangte auch die Auslieferung der Gefangenen, mußte dafür aber den verhaßten Gegner als Fürsten von Dembea, dem ursprünglich seiner Mutter gehörenden Lande, anerkennen. Immer deutlicher fühlte nun Ras Ali, daß ihm die Vorherrschaft in Abessinien, die er seit der Absetzung des Kaisers Saglu Denghel innegehabt hatte, entglitt und daß er endlich eine wirkliche Entscheidung zwischen sich und dem von Tag zu Tag mächtiger werdenden Kasa herbeiführen müsse. Ti'otz dem Freundschaftsbündnis, das er bei der Freilassung seiner Mutter mit ihm geschlossen, sann er darauf, ihn ein für allemal unschädlich zu machen. Nach mancherlei vergeblichen Versuchen, ihn mit der Waffe zu besiegen oder durch Verhandlungen zur Anerkennung seiner Oberherrschaft zu bringen, sprach er, der sich ganz als Herrscher Abes52) Ghasua = Sklavenjagd. Joh. W. von Müller schildert jenes Unternehmen Halid-Paschas mit all seiner Grausamkeit und Skrupellosigkeit in seinen „Fliegenden Blättern“ S. 87.