Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika

Konstantin Reitz 339 heit gewonnen und zugleich den Einfluß und das Ansehen ihres dortigen Konsuls gestärkt. Ihre Bemühungen hatten schließlich im Jahre 1849 zum Abschluß eines förmlichen Freundschafts- und Handelsvertrags mit Abes­sinien geführt. Das zum großen Teil christliche Land zeigte sich dem Werben europäischer Mächte gegenüber um so aufgeschlossener, als es in ihnen einen Rückhalt gegen seinen ägyptisch-türkischen Nachbarn zu fin­den hoffte, mit dem es in ewigen Grenzkämpfen und ständigen blutigen Streitigkeiten um den Besitz ganzer Provinzen lebte48). Außerdem machte sich gerade bei der christlichen Bevölkerung ein starkes Streben nach euro­päischer Gesittung geltend, und ihre Vorliebe für Erzeugnisse europäischen Gewerbefleißes war ebenso unverkennbar wie die Bemühung, die Erträge des eigenen Landes nach europäischem Vorbild zu verbessern49). Kein Wunder also, daß der österreichische Generalkonsul von Huber, den Reitz auf die Entwicklung der Verhältnisse in Abessinien wiederholt aufmerk­sam gemacht hatte, seiner Regierung gegenüber die Befürchtung ausspre­chen mußte, der Anschluß des Landes an eine europäische Großmacht, mit der nur England gemeint sein konnte, werde wohl bald bevorstehen. So gab er denn Reitz den Auftrag, „den auf Monopolisierung des abessini- schen und ostafrikanischen Handels gerichteten Absichten Englands im Interesse der österreichischen Politik und des österreichischen Handels mit aller Kraft, jedoch mit der nicht außer acht zu lassenden Vorsicht ent­gegenzuarbeiten und besonders dahin zu wirken, daß vor allem der früher bestandene Handelsverkehr zwischen Abessinien und den Sudanländern wieder in Aufnahme komme und in das Bereich der den österreichischen Belangen bereits allseitig zugänglichen Nilstraße gezogen werde.“ Konstantin Reitz mochte bald eingesehen haben, daß er diesen schwie­rigen Auftrag nur durch persönliche Aussprache mit den führenden Män­nern Abessiniens erfüllen konnte. Als sich gegen Ende 1852 eine günstige Gelegenheit bot, entschloß er sich daher, in das Innere des Landes zu reisen und an Ort und Stelle die nötigen Verbindungen anzuknüpfen. Ehe wir ihn aber auf seiner Fahrt begleiten, müssen wir einen Einblick in die inner­politischen Zustände des Landes gewinnen. Sie sollten nicht ohne Einfluß auf den Verlauf der Reise bleiben. Wir lernen dabei zugleich die Männer kennen, denen Konstantins Besuch in erster Linie galt. 48) Aus dem Bericht von Konstantin Reitz an den Handelsminister Freiherrn von Bruck (Khartum, 10. Juli 1851): „An der abessinischen Grenze befindet sich die Provinz Gallabat, welche schon seit langer Zeit der Gegenstand eines unseligen Streites zwischen beiden Mächten ist, aus dem bald die eine, bald die andere siegreich hervorging. Aber jeder Sieg ward auf Unkosten der unglück­lichen Provinz selbst erfochten. Hatten die Abessinier sich nach Osten zurück­gezogen, so fielen augenblicklich von Westen her die Türken ein und entführten, was den Händen der Abessinier entgangen war, so daß Gallabat jährlich ge­wöhnlich zweimal der Schauplatz der unmenschlichsten Handlungen war.“ 49) Bericht Hubers an das Handelsministerium vom 25. Februar 1853. 22*

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