Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
Konstantin Reitz 333 nördlichsten Punkt des großen östlichen Nilbogens, gerade ehe von der Wüste her ein neues Gewitter mit gewaltigen Sandwolken über die Reisenden hereinbrach. Erst gegen Abend legte sich der Sturm, der keine Abkühlung gebracht hatte. Reitz blieb die Nacht in einer Karawanserei, einem elenden Loch, dessen Dachwerk jeden Augenblick unter der Gewalt des Sturmes über ihm zusammenzustürzen drohte. „Tiere sterben, Ruder brechen, Menschen schreien“, so schließt er seinen Bericht über diesen Teil der Fahrt, „ich aber werde ruhig die Felsen betrachten, und alle Unannehmlichkeiten sollen von mir abprallen wie die strömenden Wogen von den Felsen des Schellals (Stromschnelle).“ Über den weiteren Verlauf der Reise wissen wir nun nichts mehr. Der nächste Bericht Konstantins, der uns erhalten ist, wurde erst am 21. September in Wadi Haifa geschrieben. Auf der Fahrt dorthin scheint er in Dongola Aufenthalt genommen zu haben, denn er schreibt, daß er dort seinen geschwächten Gesundheitszustand gestärkt habe und sich seitdem viel wohler fühle. Den Ort Wadi Haifa hatten die Schiffe am 20. September morgens um 8 Uhr, 28 Tage nach der Abreise von Khartum erreicht. In den berüchtigten Stromschnellen oberhalb des Fleckens hatten sie noch einmal schwere Schäden erlitten, die erst jetzt völlig ausgebessert werden konnten. Am nächsten Tage wurden sie gegen 3 Uhr nachmittags wieder beladen und waren abends um 11 Uhr zur Abfahrt bereit. Sie langten am 17. Oktober in Alexandria an. Von dort aus wurden die Tiere mit dem Regierungsdampfer „Dromedar“ nach Triest befördert. Reitz selbst kehrte, wie er das von Anfang an beabsichtigt hatte, schon von Wadi Haifa aus nach dem Sudan zurück. Mit stolzer Befriedigung durfte er auf die Wochen blicken, die hinter ihm lagen. Schon in dem erwähnten Bericht aus Wadi Haifa hatte er geschrieben: „Per varios casus, per tot discrimina rerum (durch alle möglichen Zwischenfälle und viele Gefahren, Vergil, Aeneis I, 204) habe ich ... meine Menagerie durch alle oberen Nilkatarakte glücklich durchgeleitet, trotz der bedeutenden Schäden, die meine beiden Barken in den gefahrvollen Katarakten von Wadi Haifa zu erleiden hatten ... Ich hatte nichts ausgeladen, sondern im Vertrauen auf Gottes Schutz und mein Glück mich mit Hab und Gut dem drohenden Schellal anvertraut, um ... den Verzagten zu beweisen, daß es möglich ist, glücklich hindurchzukommen.“ Und wenn Reitz sich auch vor der Fahrt kaum falschen Vorstellungen von der Schwierigkeit des Unternehmens hingegeben haben wird, in seiner ganzen Größe kam ihm das Wagnis doch erst jetzt zu Bewußtsein, nachdem er es glücklich bestanden und dem Tode, der ihm auf der ganzen Reise fast ununterbrochen auf dem Nacken gesessen hatte, immer wieder wie durch eine Kette von Wundern entronnen war. Und so fuhr er denn fort in seinem Briefe: „Jetzt, da ich jene Katarakte ... persönlich kennengelernt habe, muß ich zweifeln, daß ich viele Nachahmer in dieser Schiffahrt finden werde."