Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
328 Friedrich Roemheld in Anspruch nehmen, als der englische Vizekonsul Pethricke keinerlei Tätigkeit entwickelte. Er hatte das Ende des Jahres 1851 herankommen lassen, ohne sich dem Generalgouverneur überhaupt auch nur vorzustellen, und lebte, meist kränklich, in Kordofan, fern von seinem Amtssitz, seinen Liebhabereien. Den größten Triumph für Reitz aber mußte es bedeuten, daß Latif-Pascha Ende 1851 oder Anfang 1852 wegen seines willkürlichen Benehmens gegen die europäischen Handelsleute im Sudan von seinem Posten als Generalgouverneur abberufen und durch Rustem-Pascha ersetzt wurde. Erfreulicherweise sollte aber auch die äußere Anerkennung für Konstantins Verdienste nicht ausbleiben: am 9. Mai 1852 wurde er zum Honorarvizekonsul ernannt und ihm der besondere Dank der Regierung für seine Amtsführung „und namentlich für sein energisches und umsichtiges Verhalten gegenüber dem früheren Gouverneur des Sudans Latif- Pascha und für seine erfolgreichen Bemühungen zur Eröffnung der österreichischen freien Schiffahrt auf dem oberen Nil“ ausgesprochen. Sehr bald nun sollte sich bei einer besonderen Gelegenheit offenkundig zeigen, wie groß das Ansehen und das Vertrauen war, dessen Reitz sich schon nach etwas mehr als einem Jahre seiner Tätigkeit im Sudan bei den türkischen Behörden des Landes erfreute. Der neue Generalgouverneur, Rustem-Pascha, war am 11. Mai 1852 von einer größeren Reise nach Khartum zurückgekommen und hatte, obwohl er sich nicht ganz wohl fühlte, am 13. Mai mit seinem Gefolge an einem Feste teilgenommen, das Reitz ihm zu Ehren veranstaltete. Er hatte sich seinem Gastgeber gegenüber von der liebenswürdigsten Seite gezeigt, ihm wiederholt versichert, daß sie beide zusammen als Brüder leben wollten, und hatte sich erst nach Beendigung des Feuerwerks nach Hause begeben. In den folgenden Tagen aber hatte sich sein Zustand verschlimmert, und am 25. Mai war er gestorben. Da schon ein paar Tage zuvor auch der Gouverneur der Provinz Khartum vom Tode ereilt worden war, so war die Bestürzung groß, zumal da aufrührerische Räuberstämme den Sudan im Osten und im Westen bedrohten. Bis zur Neubesetzung der erledigten Stellen durch den Vizekönig konnten noch Monate vergehen, und so versammelten sich denn ein Stunde nach der Beerdigung des Generalgouverneurs die gerade anwesenden Großen der Vereinigten Königreiche, um über vorläufige Maßnahmen zu verhandeln. Ob sie sich nun dabei nicht einigen konnten oder ob andere Gründe Vorlagen, steht dahin, jedenfalls sandten sie einen Boten an Reitz und forderten ihn auf, an ihren Beratungen teilzunehmen, worauf dieser natürlich sofort in Uniform zur Versammlung ritt. „Dieselbe ließ mir“, so schildert Reitz sein Erlebnis, „ihre Bitte kundgeben, meine Ansicht und meine Vorschläge über die Einrichtung des Provisoriums auszusprechen. Ich tat dies in folgenden Worten: Ich entspreche Ihrem Wunsche, indem auch ich überzeugt bin, daß der gegenwärtige Zustand des Sudan ... die Ergreifung augenblicklicher ernster und soviel als tunlich umfassender Maßregeln erfordert, damit einerseits die Verwaltung der Provinzen nicht einer zügel