Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika

Konstantin Reitz 329 losen Willkür anheimfalle und anderseits die an den Grenzen von Abessinien und Kordofan bestehende Opposition der Araberstämme nicht in eine förm­liche Empörung gegen die Regierung ausarte. Zu diesem Zweck halte ich da­für, daß ihr ein kräftiges Oberhaupt zu wählen habt, das die aktuellen Ver­hältnisse des Sudan genau kennt und welches euer vollkommenes Vertrauen genießt, so daß ihr mit Freuden seinen Anordnungen Folge leistet. Als aufrichtiger Freund von euch allen ermahne ich euch, in brüderlicher Ein­tracht euch gegenseitig zu unterstützen. Denn ihr alle seid Fremdlinge in diesen Ländern und könnt euch nur durch treues Zusammenstehen halten." Darauf schlug Reitz den Gouverneur von Taka, Kosref-Bei, als vorläufigen Generalgouverneur vor. „Die provisorische Regierung“, so fuhr er fort, „hat keine Neuerungen zu machen und den status quo der seitherigen Poli­tik mit den Nachbarstaaten aufrechtzuerhalten. Sie hat mit Klugheit da­für zu sorgen, daß die Opposition der aufrührerischen Araberstämme nicht in Empörung ausbricht. Alle Maßregeln der Regierung und alle Dekrete ... müssen abschriftlich der Regierung in Kairo vorgelegt werden, welche die­selben entweder bestätigen oder durch neue Weisungen ersetzen wird . . . Über den heute zu fassenden Beschluß wegen der Einrichtung der provi­sorischen Regierung muß augenblicklich an die Regierung von Ägypten berichtet werden, und eine Abschrift dieses Berichtes ist zugleich allen Gouverneuren in den Provinzen zur einstweiligen Darnachachtung mitzu­teilen, bis definitive Entscheidungen von Kairo anlangen.“ Nachdem ich geendet, sprachen alle Anwesenden ohne Unterschied ihre Freude aus, daß sie einstimmig mit meinen Vorschlägen einverstanden seien. Ich reichte darauf Kosref-Bei die Hand und hieß ihn als provisorischen Chef der Re­gierung willkommen. Als solchen begrüßten ihn nun auch alle übrigen Anwesenden.“ Die Bestätigung des Vizekönigs scheint Konstantins Günst­ling allerdings nicht gefunden zu haben. Der neue Generalgouverneur hieß Ismael-Pascha, wie jener Sohn Mehemed Alis, der drei Jahrzehnte zuvor den Sudan erobert hatte. Mit welchem Gefühl des Stolzes und der Befriedigung mag Reitz diese Stunde erlebt haben! Sicher hat ihm die Anständigkeit und Redlichkeit seiner Gesinnung, die er auch bei dieser Gelegenheit wieder bekundet hatte, bei den ägyptischen Würdenträgern neue Freundschaft und Zuneigung er­worben. Auch die österreichische Regierung wußte seine Umsicht und Klugheit zu schätzen, die bei allem Eifer Schwierigkeiten geschickt zu überwinden, Verwicklungen zu vermeiden wußte. Trotzdem hatte sie büro­kratische Bedenken genug, um sich einer Ernennung Konstantins zum Konsul und damit seiner Aufnahme in den wirklichen Staatsdienst zu widersetzen, weil er erst kürzlich zum Vizekonsul befördert worden war. Inzwischen schritt Reitz auf dem Wege, den er eingeschlagen, um den Sudan für den österreichischen Handel zu erschließen, rüstig fort. Nach­dem die Handelsfreiheit auf dem Weißen Flusse erkämpft war, ließ er es sich angelegen sein, die Aufmerksamkeit der Heimat auf die Wirtschaft-

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