Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
Konstantin Reitz 307 kehr Müllers zu einer gründlichen Vorbereitung auf seine künftige Amtstätigkeit ausnützen. Denn er fuhr nach Europa, wo er nun den größten Teil des Jahres 1850 verbrachte, und wurde zunächst im Ministerialdepartement für das Konsularwesen in Wien beschäftigt. Leider sind wir über den weiteren Verlauf seines europäischen Aufenthaltes nur in ganz großen Zügen unterrichtet. Im Mai war er in Heidelberg mit Baron von Müller zusammen, mit dem er wohl wegen der Übernahme des Konsulates in Khartum verhandelt haben wird, im Juni und Juli weilte er in Berlin, Petersburg und London, und Anfang August besuchte er seine Eltern in Dieburg. Einem Briefe seines Vaters zufolge war er von der österreichischen Regierung mit einer besonderen Mission an die Regierungen in den drei genannten Hauptstädten, aber auch an den Deutschen Bundestag in Frankfurt a. M. gesandt worden. Worin sein Auftrag bestand und wie er ihn erledigt hat, konnte nicht ermittelt werden. Die Tage, die er im Elternhaus in Dieburg verbrachte, waren für ihn ein letztes Ausruhen vor der großen Reise, und gewiß hat er sich später auf seinem einsamen Posten in Mittelafrika manches Mal an diesen Aufenthalt in der Heimat als an einen Lichtpunkt seines Lebens erinnert. „Alle Bekannten“, so schreibt im Rückblick auf diese Tage das „Deutsche Volksblatt“ in einem nach Konstantins Tod erschienenen Aufsatz über ihn28), „alle Bekannten waren erstaunt über sein unverändertes Wesen; an jugendlicher Kraft, Frische des Geistes, Humor, selbst Manier, sogar dem Dialekte seines Geburtsstädtchens hatte er unter dem Federhut und den goldenen Epauletten des k. k. Konsularbeamten ganz den alten Konstantin bewahrt. Wenn er sich unbekannt im Zivilkleid in fremder Gesellschaft befand, so machte er sich häufig den Scherz, dieselbe in Verwirrung zu bringen, indem er sich anfänglich ganz als binnenländisches Landeskind benahm, dann aber von Zeit zu Zeit mit Bemerkungen eines weitgereisten Mannes, Erzählungen von dort, „wo hinten weit in der Türkei die Völker aufeinanderschlagen“, hinwarf, wodurch öfter die komischsten Effekte erzielt wurden.“ Mitte September 1850 nahm Reitz Abschied von der Heimat und begab sich über Wien und Triest nach Ägypten zurück. Dort kam er am 2. November 1850 an und arbeitete zunächst wieder auf dem Generalkonsulat in Alexandria. Jetzt aber mußte endlich die Frage der Besetzung des Konsulats in Khartum geklärt werden. Der inzwischen neu ernannte Generalkonsul Ritter von Huber* 27) rückte entschieden von Müller ab, der 28) Stuttgart, 21. September 1853, Nr. 219, 6. Jahrgang. 27) Christian Wilhelm Huber, geb. in Wien am 26. Februar 1804. Er war ein großer Kenner fast aller europäischen und vieler außereuropäischen Sprachen, auch ihrer Mundarten. „Mit diesem Sprachstudium verband er jenes der Literatur der genannten Völker. . . . Zugleich beschäftigte er sich mit literarischen Arbeiten, schrieb eigene Dichtungen und gewandte Übersetzungen der schönsten Dichtungen fremder Völker, Aufsätze über Volkspoesie, Kultur und Kunst.“ Vgl. Wurzbach, a. a. O., Bd. 9, S. 374. 20*