Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

ARETIN, Karl Otmar Freiherr von: Eugen Beauharnais' Königreich Italien beim Übergang zur österreichischen Herrschaft im April 1814. Aus den nachgelassenen Papieren des k. k. Feldzeugmeisters Ludwig Frh. von Welden

260 Karl Otmar Freiherr von Aretin Eine vorurteilslose Durchsicht der von Kerchnawe veröffentlichten Pa­piere kommt allerdings zu einem wesentlich anderen Ergebnis. Entschei­dend für die Entlassung von Windischgrätz wurde seine Bitte, die ange­botene Hilfe Rußlands anzunehmen, da seine Streitkräfte zur Bezwingung der 80.000 Ungarn nicht ausreichten, wenn der Fall der Festung Komorn nicht innerhalb 8 Tagen erfolge und eine günstige Wendung seiner Verhält­nisse erbringe 6). Diese Meldung wurde am 29. März 1849 im Ministerrat diskutiert, der schon am 23. 3. eine Anrufung der russischen Hilfe in Siebenbürgen für bedenklich gehalten hatte. Eine Verstärkung der öster­reichischen Armee in Ungarn durch Truppen aus Innerösterreich erwies sich als undurchführbar. Am 29. März wurde auf Antrag des Kriegsministers Weiden beigezogen, der sich gegen die Anrufung der russischen Hilfe aus­sprach, weil er die Lage als nicht so ernst ansah. Nun konnte Weiden über keine anderen Angaben als die verfügen, die dem Kabinett in Olmütz zu­gekommen waren. Diese stellten sich jedoch später in zwei wesentlichen Punkten als falsch heraus. Einmal verfügten die Ungarn nicht über 80.000 Mann, sondern über 125—130.000 Mann im Feld, zum zweiten war es unmöglich, daß das sehr schwache Zernierungskorps um Komorn die Festung in dieser Zeit nehmen konnte. Allerdings hat sich Weiden dem­selben Irrtum hingegeben. Er fuhr am 30. März nach Komorn, um die Tätig­keit der von ihm aus Wien abgesandten Artillerieverstärkungen zu überprü­fen7). Der sehr nahe liegende Gedanke, Weiden in das Hauptquartier zu schicken, ist vom Ministerrat nicht erwogen worden. Die Windischgrätz am 30. März vorgeschlagene Reise nach Olmütz mußte wegen der sich rasch verschlechternden Lage in Ungarn unterbleiben. Daß Weiden nicht auf die Idee kam, der Feldmarschall würde ausgerechnet in dem Moment, wo er das Kabinett von der Notwendigkeit der Annahme russischer Hilfe über­zeugen wollte, seine Lage zu rosig darstellen, kann ihm nicht verübelt werden. Daß sich der von W'elden unter großem Zeitdruck ausgearbeitete Operationsplan schließlich als völlig wirklichkeitsfremd herausstellte, ist daher nicht Weiden, sondern Windischgrätz anzukreiden, der es offenbar in Überschätzung seiner Position nicht für nötig erachtet hatte, dem Kabi­nett reinen Wein einzuschenken. Allerdings schoß Weldens Beurteilung der Lage in seinem persönlichen Urteil über Windischgrätz weit über das Ziel hinaus, wenn er meinte, es sei schon längst kein Geheimnis mehr, daß Windischgrätz kein Feldherr sei. Mit seiner Beurteilung der militärischen Führung hat Weiden allerdings, wie erst jüngst von kompetenter Seite fest­gestellt wurde, nicht unrecht gehabt8). Es war ohne Zweifel ein ungewöhnlicher Schritt des Kaisers, daß er 6) Protokoll der Ministerratssitzung, veröff. v. H. Kerchnawe, a. a. O., S. 355. 0 Vgl. L. Frhr. v. Weiden, Episoden ..., S. 87 ff. 8) R. Kiszling, Die Revolution im Kaisertum Österreich 1848—49, II, 1949, S. 86 ff.

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