Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
HRAZKY, Josef: Die Persönlichkeit der Infantin Isabella von Parma
Die Persönlichkeit der Infantin Isabella von Parma 183 als das ihres Todes bezeichnet werde, so fällt auf, daß Arneth dieses Schreiben offenbar, weil er es sonst angeführt hätte, nicht vorfand und daß unter den in Magyaróvár photokopierten Billets Isabellas sich ein einziges befindet (Briefe VIII. 24 a), dessen Datierung „de l’année des evenements et de ma mort“ in Alberts Sinn gedeutet werden könnte, das aber einen durchaus unernsten Zusammenhang zeigt und außerdem sich auf die Karwoche und nicht auf Neujahr bezieht. Es bleibt nur der Schluß, daß dieser von Herzog Albert erwähnte Neujahrsglückwunsch für 1763 verloren ging. Und so unzweideutig Isabellas zahlreiche Voraussagen ihren baldigen Tod ankünden, die Begrüßung ihrer Obersthofmeisterin Erdödy dürfte wohl in Isabellas höflich launiger Art bloß die Hoffnung ausgedrückt haben, sie werde ihr nicht lange zur Last fallen. Nachträglich wird die so seltsam Angeredete in den Wunsch eine Prophezeiung hineingelegt haben. Den vana mirantibus das Handwerk zu legen, gehört zum Beruf des Historikers. Arneth hat dieser Pflicht bei Karoline Pichlers Erzeugnis Genüge getan. Um wieviel tiefer und ergreifender die Wirklichkeit bleibt als jede noch so sensationelle Erfindung, beweisen alle historischen Romane. Die Prinzessin Isabella von Parma bietet dafür ein besonders eindrucksvolles Beispiel. So sicher ist sie ihres nahen Endes, daß sie selbst um den Preis der Verstimmung ihrer liebsten Freundin davon nicht schweigen kann, daß sie mit dem baldigen Tod wie mit einer fest stehenden Tatsache rechnet und ihre Verfügungen danach trifft. Sie beeilt sich mit der Arbeit an dem Tisch, den sie ihrer Schwägerin hinterlassen will, um mit dem Geschenk nicht zu spät zu kommen, und vor allem setzt sie mit ihrem schriftlichen Vermächtnis immer wieder an, um es so klar und eindringlich als möglich zu gestalten. Es sind die „Ratschläge an Marie“, die Arneth im Hauptteil seines Werkes deutsch wiedergibt15) und die deshalb hier nicht noch einmal angeführt werden sollen. Sie sind allerdings von einer solchen psychologischen Feinheit, daß niemand sie einer Einundzwanzigjährigen Zutrauen würde, und enthalten so brillante Porträts des Kaisers, der Kaiserin und Josephs, daß der davon entzückte Leser leicht übersieht, wie sehr diese durchdringende Beobachtung im Dienst eines einzigen Zweckes steht. Es handelt sich um das Schicksal ihrer Mimi, das durch diese Ratschläge in die rechte Bahn gelenkt werden soll. Wohl war die Kaiserin für die Ehe mit Albert, für die nun auch Mimi halb und halb gewonnen war. Aber bei der Verehelichung einer Erzherzogin hatte nicht allein die Mutter, sondern auch der Vater und der älteste Bruder mitzubestimmen. War Mimi auch der Liebling ihrer Mutter, wie konnte man dem Vorbeugen, daß andere sie aus dem Herzen ihrer Mutter verdrängten, vor allem der Gefahr, daß sie, temperamentvoll und ungeduldig wie sie war, es sich bei ihrer Mutter verdarb? So sonderbar es scheint, daß eine Fremde die Tochter über die Mittel belehrt, wie sie Vater und Mutter für sich gewinnen kann, bei dem i») A. a. 0., S. 49—66.