Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
HEYDENDORFF, Walther Ernst: Vorderösterreich im Dreißigjährigen Kriege. Der Verlust der Vorlande am Rhein und die Versuche zu ihrer Rückgewinnung. 1617–1639
129 Vorderösterreich im Dreißigjährigen Kriege Der letzte Versuch, Breisach zu retten, wurde im November im Rheintal unternommen. Hier hatten schon zu Beginn des Monats 700 Schwarzwälder, von 200 Kaiserlichen unterstützt, einen Handstreich auf Waldshut durchgeführt und sich vorübergehend dieser Stadt bemächtigt. Herzog Bernhard legte nun Besatzungen — etwa 1200 Mann — in die Waldstädte114), um den herannahenden Feind aufzuhalten. FM. Götz erreichte am 18. November Waldshut, am folgenden Tag nahm er Klein-Laufenburg. Um diese Zeit ging der bayrische GFWM. von der Horst mit 2000 Reitern bei Philippsburg über den Rhein und suchte, südwärts reitend, vergeblich Anschluß an den abgebliebenen Lothringer. Der Entsatz von Breisach sollte auch diesmal nicht gelingen, denn Götz sah sich angesichts des kläglichen Zustandes seiner Truppen und des Verpflegsmangels bewogen, westlich Laufenburg anzuhalten und auch die Einstellung der Hilfsoperationen von Horst und dem Herzog von Lothringen zu veranlassen. Er ging dann mit seinen Völkern nach Südschwaben zurück, das Schicksal Breisachs war damit entschieden115). Dort hatte FZM. Reinach, immer wieder auf den versprochenen Entsatz rechnend, den Widerstand trotz größter Entbehrungen fortgesetzt und alle Aufforderungen zur Übergabe abgelehnt. Dieses Ausharren war dadurch möglich geworden, daß im August 1500 Nichtkämpfer aus der Festung gewiesen und die Rationen auf ein Mindestmaß eingeschränkt wurden. Anfang Dezember gingen die letzten Vorräte zur Neige, die Zahl der dienstfähigen Soldaten fiel Mitte dieses Monats infolge der Entbehrungen auf 400 Mann. Ernsthafter Widerstand war mit diesem kleinen Häuflein nicht mehr möglich 116). Die letzten Hoffnungen für die belagerte Festung schwanden, als am 8. Dezember die Rheinbrücke in die Hände der Angreifer fiel und die bei Colmar streifenden Reiter des GFWM. Horst, von dessen „Cavalcade“ berichtet wurde, nach Norden abritten. FZM. Freiherr von Reinach berief daher für den 12. Dezember einen Kriegsrat ein, an dem neben seinen führenden Offizieren auch die in Breisach befindlichen Mitglieder der vorder- österreichischen Regierung (Dr. Volmar, Georg Friedrich von Andlau, Hans Konrad Flachslandt), der Magistrat und der Bürgermeister Hans Burkhardt Stockh teilnahmen. Die Not war auf das höchste gestiegen: seit dem 17. November gab es kein Brot, seit 10 Tagen kein Fleisch und keinen Wein, Tierhäute waren fast die einzige Nahrung, Fälle von Kannibalismus hatten sich ereignet. Der Entschluß zur Kapitulation war unvermeidlich 117). 114) M e r i a n, a. a. O., III., 1002/1004. 115) FM. Graf Götz wurde durch den zur Untersuchung eingelangten Hofkriegsrat FM. Philipp Graf Mansfeld in Arrest gesetzt. Nach einem langwierigen Verfahren freigesprochen und wiederverwendet, fiel Götz 1645 bei Jankau. ne) W e t z e r, a. a. O., III., 19, 147. 117) W e t z e r, a. a. O., III., 131, nach den Amraser Akten. Mitteilungen, Band 12 9