Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

FELLNER, Fritz: Die Verstimmung zwischen Wilhelm II. und Eduard VII. im Sommer 1905

Miszellen 509 giere17), und Szögyénys Berichte bestätigen dieses Mißtrauen Eduards. So schreibt er am 1. August 1905: „Mein englischer Kollege erzählte mir streng vertraulich, daß unter den vielen griefs des Königs Eduard gegen Kaiser Wilhelm die Haltung des letzteren in der Frage der Kandi­datur des Prinzen Karl von Dänemark für den Königsthron in Nor­wegen einen hervorragenden Platz einnehme. König Eduard behaupte, Kaiser Wilhelm habe seinerseits alles unternommen, damit die Berufung des Prinzen Karl unmöglich gemacht werde ..18) und in einem an­deren Bericht vom gleichen Tage meldet Szögyény eine Mitteilung Las- celles, daß „König Eduard gegen Kaiser Wilhelm in ganz außerordent­lichem Maße aufgebracht sei. Seine Majestät behaupten, das Benehmen seines kaiserlichen Neffen ihm gegenüber könne nicht anders als mit dem englischen Wort .unfair' bezeichnet werden. In großen und in kleinen Dingen begegne er dem feindseligen, gehäßigsten Antagonismus Kaiser Wilhelms“ 19). Daß Wilhelm an der norwegischen Frage den ganzen Sommer hindurch großes persönliches Interesse hatte, geht aber nur aus vereinzelten Stellen in der „Großen Politik“ hervor 20). In den britischen Dokumenten hingegen wird das Interesse König Eduards an der Thronbesetzung in Norwegen überhaupt nicht behandelt und die Unionskrise nur in einer Anmerkung in einem anderem Zusammenhang abgetan21). Und doch ist kein Zweifel, daß die Bemühungen Eduards, seinen Schwiegersohn in Norwegen auf den Thron zu bringen, wesent­lich zur Einkreisungspsychose Wilhelms beitrugen, ganz abgesehen da­von, daß hier sein familiär dynastisches Empfinden erneut getroffen worden war. König Eduards Ablehnung, Kaiser Wilhelm auf der Rück­reise von Marienbad im August 1905 zu treffen, mag eher noch auf die norwegische Frage, als auf die marokkanische Kontroverse zurück­zuführen sein. Es gab bekanntlich verschiedene Bemühungen, eine Be­gegnung der beiden Monarchen doch noch zustande zu bringen, da sich vor allem Lascelles durch eine persönliche Aussprache eine Klärung der Atmosphäre versprach, aber als diesbezügliche Nachrichten in die Zei­tungen drangen, wurden sie von Lord Knollys energisch dementiert22). Der von Mißtrauen gegen alles Englische erfüllte Kaiser sah aber gerade darin nur wieder eine englische Intrige mit dem Zwecke „die ohnehin schon bestehende Spannung zu verstärken“. So äußerte sich der Kaiser gegenüber Szögyény bei einem Essen in Wilhelmshöhe und erging 1T) Lee, S. 309—321. 18) HHStA. P. A. Preußen 162, Bericht Nr. 23 B. 19) Ebd., Bericht Nr. 23 C. 20) GP. XIX/2, Nr. 6220, S. 461; GP. 20/2, Nr. 6868, 6870 (S. 649, 655). 21) BD. VIII, S. 160. 22) Lee, S. 345 ff.

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