Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

FELLNER, Fritz: Die Verstimmung zwischen Wilhelm II. und Eduard VII. im Sommer 1905

510 Miszellen sich dabei „in recht unfreundlichen, ja sogar teilweise sehr heftigen Äußerungen“ gegenüber König Eduard23). In welchem Ausmaß das Gefühl der persönlichen Beleidigung für Wilhelm wie für Eduard von Bedeutung gewesen ist, das bestätigt aber noch ein weiterer Bericht der österreich-ungarischen Botschaft in Ber­lin. Graf Széchényi, der Szögyény während dessen Abwesenheit im Som­mer vertrat, berichtet von einem weiteren Gespräch mit Lascelles, in welchem dieser von einer neuen Auseinandersetzung mit dem Kaiser erzählte, die durch die Einladung König Eduards an den deutschen Kronprinzen ausgelöst worden war. Eduard hatte das deutsche Kron­prinzenpaar im Spätsommer eingeladen, im November 1905 nach Schloß Windsor zu kommen, was der Kronprinz mit dem Hinweis ablehnte, „daß Kaiser Wilhelm zu diesem Zeitpunkt eine Auslandsreise seines Sohnes nicht wünschen würde. Nachdem König Eduard schon zum zweitenmale einen refus erhalten, soll Seine Majestät über diese neuerliche Absage sehr erzürnt gewesen sein und ließ seinen Unmut in einem eigen­händigen, ziemlich ironisch gehaltenen Brief an den Kronprinzen mit der Bemerkung durchblicken, er, König Eduard, sei über das Nicht­kommen seines Großneffen nicht nur betrübt, sondern auch im höchsten Grade erstaunt, könne sich jedoch wohl die Gründe denken, welche Kaiser Wilhelm einen Verkehr seines Sohnes mit ihm jetzt nicht wün­schenswert erscheinen lassen. Nun war es an der Reihe Kaiser Wilhelms, sich getroffen zu fühlen und gegen den Ton des Briefes zu remonstrie­ren. In seiner impulsiven Art schien es Seiner Majestät nicht genügend, diese Familienangelegenheit in direktem Briefwechsel auszutragen, son­dern er beauftragte auch den englischen Botschafter, in seinem Namen Vorstellungen zu erheben. Sir Frank sagte mir, er hätte anfangs gegen diesen immerhin nicht sehr angenehmen Auftrag protestieren wollen, und Seiner Majestät seine bereits einmal kundgegebene Absicht wieder­holt, den hiesigen Posten zu verlassen.“ Doch Wilhelm lehnte ab, u. a. mit der scherzhaften Bemerkung, es „seien ja die Botschafter zu solchen Zwecken da“. Lascelles erbat sich nun die Ermächtigung, „in seinem Bericht wenigstens sagen zu dürfen, daß Kaiser Wilhelm die Trübung seiner Beziehungen mit König Eduard bedaure. ,Ja‘, lautete nach einem Augenblick der Überlegung die Antwort Seiner Majestät, ,Sie können es sagen, aber sagen Sie auch, daß es nicht meine Schuld sei, daß es so weit gekommen ist“. ,Trotz der traurigen Tatsache', so meinte Sir Frank, ,mußte ich in meinem Innern lachen, da König Eduard vor nicht langer Zeit beinahe wörtlich dieselben Ausdrücke mir gegenüber gebraucht hatte' “ 24). Auch hier lassen sich in der britischen wie in der deutschen 23) HHStA. P.A. Preußen 171, Varia 1905, vgl. auch Briefe Wilhelms II. an den Zaren 1894—1914. Hrgb. v. Walter Goetz, Berlin 1920, S. 197. 24) HHStA. P.A. Preußen 162, Bericht Nr. 27 A; vgl. auch Lee, S. 351—353.

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